Herr Krtil, wo sind KI oder Roboter in Hamburg im Einsatz?
KI ist bereits an unzähligen Stellen in der Wissenschaft, in öffentlichen Institutionen und in der Wirtschaft im Einsatz. Im wissenschaftlichen Bereich haben wir eine starke, praxisorientierte KI-Tradition, die bis in die frühen 70-er Jahre zurückgeht. In Institutionen spielt das Thema autonomes Fahren und intelligente Verkehrssteuerung eine wichtige Rolle. Nächstes Jahr wird es beispielsweise im Rahmen des ITS Weltkongresses in Hamburg eine Bus-Teststrecke geben. Auch hier im Hafen findet man viele KI-Anwendungen für einen hochautomatisierten Betrieb. Und schließlich gibt es in allen Wirtschaftszweigen – von Finanzen bis Luftfahrt – Unternehmen, die KI einsetzen oder weiterentwickeln.
Wie wird sich die Arbeitswelt in den nächsten zehn Jahren für uns Menschen verändern?
KI wird den Menschen viele monotone Arbeiten abnehmen. Algorithmen und Roboter übernehmen – im Sinne einer Assistenz – Aufgaben, die kaum jemand wirklich machen möchte und schaffen damit eine Arbeitserleichterung. Bei Katastropheneinsätzen wie Fukushima, wo man möglichst keine Menschen hinschicken möchte, sieht man das heute schon, aber auch bei sich wiederholenden Fließbandarbeiten können Roboter den Menschen gesundheitsschädliche Arbeiten abnehmen. Die Tendenz geht dahin, dass es weniger Aufgaben geben wird, die der menschlichen Gesundheit oder auch der Psyche schaden. Dafür werden die Arbeiten, die die Menschen machen, menschlicher werden.
Wer in unserer Gesellschaft wird durch diese Entwicklungen profitieren – und wer hat das Nachsehen?
Ich halte wenig von den kursierenden Schreckensszenarien. Am Ende sprechen wir über so etwas wie Elektrizität. Jeder wird davon profitieren. In Estland sind beispielsweise 99 Prozent der ganzen Bürger-Services digitalisiert, was der Oma genauso wie der Familie mit kleinen Kindern dient. Durch KI wird vieles für die Gesellschaft einfacher und sicherer. Bei der Ausbreitung von Krankheiten – wie aktuell dem Coronavirus – hilft KI mit den Menschen zusammen, die vielen Daten auszuwerten und frühzeitig zu warnen. Auf der anderen Seite muss man sich genau überlegen, welche Verantwortung man einer KI überträgt. Letztendlich soll die KI immer den Menschen unterstützen und nicht gegen ihn eingesetzt werden.
Glauben Sie nicht, dass Menschen in einfacheren Jobs ihre Arbeit verlieren werden?
Der Verlust von Jobs ist meines Erachtens eine Drohgebärde, die so gar nicht stattfinden wird. Sicherlich wird sich die Arbeit verändern und umstrukturieren, der Mensch wird aber nicht einfach ersetzt werden können. In vielen Arbeiten werden immer noch Anteile bleiben, wo das Menschliche – die Empathie zum Beispiel – unabdingbar ist und höchstwahrscheinlich nicht so schnell ersetzt werden kann. Zwischenmenschliche Beziehungen, Bewusstsein, Kreativität und Intuition sind Eigenschaften, die eine KI nicht erlernen kann.
Welche menschlichen Fähigkeiten sind denn in Zukunft besonders gefragt?
Die KI – so der heutige Stand – ist auf eine bestimmte Aktivität fokussiert und auch beschränkt. Das ist jedoch absolut nicht mit dem zu vergleichen, wie der Mensch arbeitet, handelt und lebt. Viele Aufgaben erfordern eine dynamische Anpassung – für uns Menschen ist das sehr einfach, für die Maschine ist das durchaus eine große Herausforderung. Aber auch bei emotionalen Kompetenzen wie Empathie und Bewusstsein sind Maschinen noch weit davon entfernt.
Werden „digitale Menschen“ Teil unseres Lebens sein?
In Asien sind alltagstaugliche Assistenzlösungen für ein selbstbestimmtes Leben ein großes Thema, weil sich die Alterspyramide verschoben hat und es sonst zu Versorgungsengpässen kommen würde. Dort ist der Einsatz von künstlichen Helfern teilweise schon gang und gäbe. Die Akzeptanz – gerade bei der älteren Zielgruppe – ist im Unterschied zu Europa viel größer. Letztlich ist aber auch eine Rolltreppe eine Maschine, die uns hilft, Barrieren zu überwinden. Deshalb glaube ich schon, dass beispielsweise autonome Fahrzeuge irgendwann bei uns akzeptiert werden.
ARIC will KI in der Metropolregion Hamburg voranbringen. An welchen ethischen Leitlinien orientieren Sie sich?
Wir haben die Themen Gesellschaft, Ethik und Technikfolgenabschätzung mit in unserer ARIC-DNA verankert. Es geht uns nicht nur darum, was alles mit KI möglich ist, sondern auch welche Auswirklungen – positiv wie negativ – Entwicklungen haben können. Da sind wir mit unterschiedlichen Experten im Diskurs. Außerdem werden wir uns intensiv mit den Richtlinien für KI und Ethik auseinandersetzen, die bald unter anderem von der Bundesregierung veröffentlicht werden.
Sind Sie auch mit Kirchenvertretern im Austausch?
Jetzt, ja. Wir sind da ganz offen und möchten eine Diskussions-Plattform zum Thema KI anbieten. Es kursieren viele Mythen rund um KI, sodass wir gerne aufklären und zu einem besseren Verständnis beitragen möchten. Alle Zielgruppen sind herzlich eingeladen sich an uns zu wenden und mit uns zu diskutieren.
Wenn wir schon bei den Mythen sind… Sehen Sie eine Gefahr, dass sich KI verselbstständigen und über den Menschen herrschen wird?
Ich gehe nicht davon aus, dass eine KI ein Bewusstsein erlangen wird und dass sie sich selbstbestimmt über die Menschheit hermacht. Vielmehr sehe ich Gefahren im Umgang mit unseren persönlichen Daten in Verbindung mit KI-Anwendungen wie Bots. Dabei müssen wir uns bei den Themen Datenautonomie und Datenschutz gar nicht die böse KI als Gegner vorstellen. Das sind dann wirklich eher große IT-Konzerne, die eine sehr dominante Stellung haben und diese auch ausnutzen. Da müssen wir Aufklärung leisten und einen vernünftigen Umgang anstreben. Sonst werden wir wirklich komplett transparent – und Anbieter können etwas damit machen, was wir nicht wollen.