Diakonie Ahrens: Nicht-christliche Mitarbeiter sind eine Chance

Arbeitsfelder könnten wegbrechen, wenn nur noch Kirchenmitglieder eingestellt werden dürften, befürchtet Diakonie-Chef Dirk Ahrens

Von „Revolution“ und „Tabubruch“ war die Rede, als bekannt wurde, dass die  Evangelische Stiftung Alsterdorf neuerdings auch Mitarbeiter einstellt, die keiner christlichen Kirche angehören. Was ist, wenn das Beispiel Schule macht? Fragen an den Hamburger Diakonie-Chef Landespastor Dirk Ahrens

Die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA) ist die größte diakonische Einrichtung in Norddeutschland. Hat sie einen Präzedenzfall geschaffen? Werden andere jetzt nachziehen?
So revolutionär ist diese Entscheidung nicht. Bereits heute lassen unsere Empfehlungen und auch der kirchliche Tarifvertrag Ausnahmen zu.

Im Fall der ESA werden diese jedoch zur Regel.
Die Zahl der Ausnahmen ist nicht festgelegt. Wir können jedoch davon ausgehen, dass diakonische Einrichtungen, die personalintensiv in der Pflege kranker oder älterer Menschen arbeiten, bereits jetzt Ausnahmen machen – um Fachkräfte zu gewinnen.

Werden diakonische Einrichtungen dadurch nicht beliebig?
Kirchenzugehörigkeit ist zunächst ein formales Kriterium. Ob jemand überzeugter Christ ist – darüber sagt es nicht unbedingt etwas aus. Es gibt sehr unterschiedliche zu achtende Motive Kirchenmitglied zu sein und zu bleiben. Die diakonischen Einrichtungen sind herausgefordert, ihr diakonisches Profil zu bewahren und zu gestalten. Das können sie nicht allein von der Kirchenmitgliedschaft der Mitarbeitenden abhängig machen. Wenn sie diese Aufgabe ernst nehmen, dann werden sie gerade nicht beliebig.

Wie kann das gelingen?
Wir müssen gewährleisten, dass Menschen das christliche Menschenbild leben und aktiv vertreten, unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft. Um Werte und Leitbilder zu vermitteln, sind zum Beispiel verpflichtende Fortbildungen geeignet. Auch freiwillige Formen gelebten Glaubens, wie etwa regelmäßige Andachten, Auszeiten und Seelsorgeangebote sind wichtig. Vielerorts ist das bereits seit langem gang und gäbe.

Führt das nicht zu Konflikten in Teams – der eine Mitarbeiter zahlt Kirchensteuer, der andere nicht?
Wir gehen davon aus, dass die Menschen freiwillig in der Kirche sind – weil sie das gut und richtig finden. Daran wird sich nichts ändern, wenn die Kollegin Buddhistin oder konfessionslos ist.

Doch was für ein Signal geben die diakonischen Einrichtungen, wenn die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche keine Rolle mehr spielt?
Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche wird auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Wenn wir aber diakonischen Einrichtungen verbieten, bei Einstellungen Ausnahmen zu machen, bedeutet das, dass wir uns aus einigen Arbeitsfeldern ganz zurückziehen müssen. Wir könnten dann etwa im Bereich der Krankenhäuser nicht mehr mitgestalten. Das wäre ein riesiger Verlust für die Kirche, aber auch für die Gesellschaft.

Die ESA preist die Lockerung des Arbeitsrechts als Zeichen der Inklusion.
Ich würde das weniger am Inklusionsgedanken fest machen. Aber auch ich sehe eine Chance in der Öffnung: Der barmherzige Samariter, an dessen Beispiel wir uns  messen, war kein Jude und auch kein Christ. Aber er hat vorbildlich geholfen. Jesus sagt mir mit diesem Gleichnis: Sich in die liebevolle Bewegung Gottes zu seinen Geschöpfen mit Herz und Hand hineinzubegeben, ist voraussetzungslos. Jeder Mensch kann und soll das.

Wie geht es jetzt weiter?
Wir müssen recht bald zu einer gut vereinbarten, rechtssicheren arbeitsrechtlichen Lösung kommen. Die Öffnung des kirchlich-diakonischen Arbeitsrechts wird nicht nur in Hamburg, sondern deutschlandweit seit einiger Zeit diskutiert. Die Nordkirche ist dabei, das Arbeitsrecht zu überarbeiten. Das soll bis 2018 abgeschlossen sein. Nur bis dahin gilt auch die neue Dienstvereinbarung der ESA.