Stellungnahme der Kirchenleitung Ahrensburger Missbrauchsfall - Mängel in Dienstaufsicht

Dort erläuterte der Bischof einen Beschluss der Kirchenleitung zur dienstaufsichtlichen Behandlung von Missbrauchsvorwürfen in den Jahren 1999 und 2000. Die ergriffenen dienstaufsichtlichen Maßnahmen hätten weder der Tragweite des Falles noch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen. Im März 2010 waren durch den Brief einer Betroffenen die jetzt untersuchten Vorgänge im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in der Kirchengemeinde Ahrensburg bekannt geworden.

 

Gutachten verweist auf Mängel

Ulrich verwies auf die vorliegende externe gutachterliche Stellungnahme, mit der die Kirchenleitung einen Kieler Fachanwalt für Verwaltungsrecht beauftragt hatte. Der Gutachter bemängelt darin, dass aus dem in Frage kommenden Zeitraum keine Dokumentation vorliegt, aus der man die Vorgänge hätte rekonstruieren können. Darüber hinaus hätten die Anhörungen, die seit Bekanntwerden der Vorwürfe durchgeführt worden sind, den Sachverhalt nicht hinreichend aufklären können.

 

Der Bewertung des Gutachers über die ermittelten Defizite in der Amtsführung und die Vorkehrungen, diese in der Zukunft weitgehend auszuschließen, hat sich die Kirchenleitung angeschlossen. Der Schlussfolgerung des Gutachters, gegen die damals verantwortliche Pröpstin ein Disziplinarverfahren einzuleiten, ist die Kirchenleitung aber nicht gefolgt.

 

Verjährungsfrist beachten

Das Gremium habe sich bei seiner Entscheidung strikt an den Vorschriften des Disziplinarrechtes orientiert. Es besagt: Wenn eine Amtspflichtverletzung länger als vier Jahre zurückliegt, darf gegenüber Personen im Ruhestand ein Disziplinarverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn beim Erweis der Schuld eine Entfernung aus dem Dienst zu erwarten ist. Insofern bedarf es bei einer Entscheidung, ob ein Verfahren eingeleitet werden kann oder nicht, einer wertenden Prognose.

 

„Die Kirchenleitung ist im Rahmen dieser prognostischen Entscheidung, in der sie sowohl die im Gutachten dargelegten Rechtslage, als auch die umfassenden tatsächlichen Feststellungen berücksichtigt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass ein solches Ergebnis nicht zu erwarten steht“, sagte der Bischof.

 

Die feststehenden Versäumnisse der damaligen Pröpstin wie zum Beispiel die fehlende Dokumentation würden nicht zu einer Entfernung aus dem Dienst führen. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die damals zuständige Pröpstin die Taten von Kohl verschleiert hätte, lägen insbesondere im Hinblick auf die von ihr energisch betriebene Versetzung von Pastor Kohl nicht vor“, so der Bischof weiter. Deshalb dürfe nach den Bestimmungen des Disziplinargesetzes ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet werden.

 

Vorfälle nicht hinreichend geklärt

Bischof Gerhard Ulrich, der sich zu Beginn der Pressekonferenz erneut fassungslos und empört darüber gezeigt hatte, dass in der Kirchengemeinde Ahrensburg durch den Pastor Gert-Dietrich Kohl Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden waren, äußerte die feste Überzeugung, dass die Kirchenleitung der Aufgabe der Aufklärung der Vorgänge gerecht geworden ist, soweit das nach einer Zeit von mehr als zehn Jahren nach den dienstaufsichtlichen und mehr als 20 Jahre nach den Taten selbst möglich war.

 

Mit dem von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bereits im Jahre 2002 vorgelegten Papier zum Umgang mit Verdachtsfällen und den Vorstellungen der NEK sei es nach menschlichem Ermessen und derzeitigen Erkenntnissen ausgeschlossen, dass sich ein solches unkorrektes Handeln wiederholen könne, sagte Bischof Ulrich.

 

Maßnahmenkatalog zur Aufarbeitung und Prävention

Er stellt einen Maßnahmenkatalog vor, mit dem neben der rechtlichen Aufarbeitung auch präventive Vorkehrungen getroffen werden. So ist beabsichtigt, unter Beteiligung der Hauptbereiche und der Gender- und Gleichstellungsstelle eine eigene Arbeitsstelle einzurichten, die sich theologisch und seelsorgerlich, analytisch und konzeptionell mit den systemischen, gesellschaftlichen, psychologischen und soziologischen Zusammenhängen sexualisierter Gewalt befassen soll. Insbesondere die Curricula der Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote bieten nach Überlegungen der NEK Chancen für eine umfassende Prävention. Ein Beispiel hierfür ist die Ausbildung der Pastorinnen und Pastoren im Predigerseminar, wo das Thema „Sexualisierte Gewalt“ seit Jahren ein fester Bestandteil des Lehrplans ist. Der Bischof verwies darauf, dass seit Frühjahr 2010 in der NEK überarbeitete Verfahrensregeln zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gelten. Vorgesehen ist unter anderem auch, Missbrauchsfälle bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Weiterhin sind die sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe tätig gewordenen Ombudsfrauen, Ursula Schele und Ulrike Stapelfeldt, als Ehrenamtliche jederzeit für Opfer oder auch Zeugen ansprechbar.

 

Der Vorsitzende der Kirchenleitung betonte mit Nachdruck: „Wir haben die Pflicht hier noch mehr zu tun, denn jeder Fall von sexualisierter Gewalt in unser Kirche berührt den Kern unseres Auftrags, die vor Gott unantastbare Würde jedes Menschen zu wahren und zu schützen.

 

Wir können und müssen als Kirche vorangehen in dem Bemühen, die Zusammenhänge, Bedingungen und Folgen sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft insgesamt zu bearbeiten und Aufmerksamkeit auf sie zu lenken“, so Bischof Ulrich.

 

_Pressestelle der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (NEK)

/ mk (www.kirche-hamburg.de)_