Gastbeitrag Auftauchen - Gastbeitrag zum Osterfest

In diesem Jahr fällt das Osterfest in eine Zeit, in der für die einen die Welt im Tsunami untergegangen ist und für die anderen der Frühling aufblüht, schön wie selten vorher. Wie geht das zusammen?

Welche Aussagekraft hat angesichts dessen die Botschaft von der „Auferstehung Christi von den Toten“? Worin liegt ihre „Wahrheit“ angesichts der elenden Tatsache, dass wir sterblich sind, alle?

 

Manchmal bringt eine unerwartete Begegnung eine überraschende Antwort. So hab ich es in diesem Jahr erlebt:

 

Vor kurzem machte ich eine Reise mit dem Zug. Ich hatte mir vorsorglich einen Tisch im ICE-Großraumwagen reserviert, um auf der Fahrt arbeiten zu können. Der Zug fuhr aus dem Bahnhof und ich hatte mich gerade über meine Papiere gebeugt, als ein Mann sich – mühsam schnaufend – mir gegenüber hinsetzte. „Hier kann ich mich besser ausstrecken“, sagte er, lächelte freundlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war groß, noch nicht alt, und es war gleich zu erkennen, dass er sehr krank war.

 

Ich müsste schon lange tot sein

Wir kamen ins Gespräch und er erzählte, dass er jede dritte Woche von Norddeutschland nach Würzburg fährt, weil es nur dort eine Chemotherapie für seine Form der Krebserkrankung gibt. Wie anstrengend, dachte ich bei mir, und als ob er meine Gedanken gelesen hätte, meinte er: „Ja, das fordert mir doch einiges ab, aber immerhin lebe ich noch. Nach den Prognosen der Ärzte müßte ich schon lange tot sein.

 

Aber wissen Sie, ich habe noch nie so intensiv gelebt wie gerade in dieser Zeit. Man muss die Dinge nehmen wie sie sind.“ – „Und wie“ traue ich mich zu fragen „gehen Sie mir Ihren Ängsten um?“ – „Tauchen und Drachenfliegen“. Wie bitte? Ich traue meinen Ohren nicht.

 

Er amüsiert sich über mein erstauntes Gesicht. „Ja, das Drachenfliegen war immer mein Hobby. Es ist so herrlich, von allem losgelöst in der Stille zu fliegen, nur getragen von der Luft, weitab von allem. Das geht jetzt leider nicht mehr, aber das Tauchen werde ich noch einmal versuchen. Das habe ich meinem Sohn versprochen. In der Ostsee, wenn der Frühling kommt. Sie glauben gar nicht, wie schön es dort unten ist, und was es dort alles zu sehen gibt, das glaubt einem kein Mensch.

 

Beim letzten Mal war ich so lange unten, dass die sich schon richtig Sorgen um mich gemacht hatten. `Ich tauch schon wieder auf`, hab ich denen gesagt. Und wissen Sie, das mit den Ängsten, … ja, die sind da, aber dann denke ich: wenn es diese Welten da unten gibt, von denen niemand weiß, warum sollte es nicht auch die ganz andere Welt bei Gott geben? Wenn ich aus dem Meer wieder auftauche und lebe noch immer, warum sollte ich nicht irgendwann auch einmal bei ihm auftauchen?"

 

mk (www.kirche-hamburg.de)

 

Pastorin Dr. Kirstin Faupel-Drevs ist Spiritualin am Ansverus-Haus in Aumühle – Ein Ort für geistliches Leben