Sonntag Rogate "Beten ist arbeiten"

Zur Ruhe kommen im Gebet

Ora et labora – bete und arbeite: Die Benediktinerregel passt bestens auf diesen Sonntag. Denn dann fällt der Tag der Arbeit mit dem Sonntag Rogate – „Betet“ – zusammen. Was hat das eine mit dem anderen gemein? Fragen an Pastor Frank Puckelwald, Referent für Spiritualität beim Gemeindedienst der Nordkirche

Was arbeiten ist, wissen die meisten. Aber was ist beten?
Es mag zwar etwas seltsam klingen, aber ich glaube "Alles betet".

Wie meinen Sie das?
Beten heißt eigentlich erst einmal nichts anderes als da sein. Wenn ich daran glaube, dass Gott die Welt geschaffen hat, dann ist alles Schöpfung: In dem es ist – da ist – erfüllt es seine Bestimmung. Das bedeutet für uns Menschen konkret: Ich muss nicht viel reden oder tun, um zu beten.

Ganz schön philosophisch.
Aber gar nicht so schwer. Man kann zu allererst zwei Grundformen des Gebets unterscheiden: preisen und seufzen. Preisen heißt, sich daran zu freuen, dass man da ist. Leben hat aber immer auch mit Leid zu tun. Seufzen ist Ausdruck davon, also eine andere Art des Gebets.

Aber beten heißt doch auch, mit Gott zu reden, oder?
Klar, das macht uns als Menschen aus: dass wir dem Anderen, unserem Gegenüber durch die Sprache begegnen und auch Gott ansprechen. Aber es ist dem Preisen und Seufzen nachgeordnet.

Kann auch Handeln eine Form des Gebets sein?
Ja, quasi als praktisches oder handgreifliches Gebet. Statt ,ora et labora’ – beten und arbeiten – kann man auch sagen ,ora est labora’. Beten ist arbeiten und arbeiten ist beten.

Wenn ich mich im Job aufrege, ist das auch beten?
Warum nicht? Schauen Sie sich die Psalmen an, was da geschimpft und geklagt wird. Nur wende ich mich im Gebet mit meinem Ärger, meinen Gefühlen an Gott und lasse sie dort, statt sie wie Gift in meine Umwelt zu verspritzen.

Muss ich mal ausprobieren.
Wir haben sehr enge Vorstellungen von dem, was Beten ist. Ich finde zum Beispiel die  Vorstellung wunderbar, dass schon der erste Atemzug eines Neugeborenen ein Gebet ist. Und damit verbunden die Vorstellung, dass wir beten, wenn wir atmen. Damit können wir auch getrost die Fragen vergessen, ob ich denn richtig bete, ob ich die richtigen Worte finde – alles unnötig.

Braucht Beten Stille?
Ich brauche Phasen des Rückzugs, in denen ich mich bewusst Gott zuwende. Das hat Jesus vorgelebt. Ich denke, es sind zwei Pole: Kampf und Kontemplation. So formuliert es die Bruderschaft von Taizé als ihren Auftrag. Von Martin Luther stammt das Wort: ,Bete, als ob alles Arbeiten nichts nützt und arbeite, als ob alles Beten nichts nützt.’ Beides gehört zusammen. Es geht darum, den Horizont offen zu halten für beide Dimensionen.

Man sagt ja über das Arbeiten, dass man ,was wegschafft’. Kann man auch durch Beten was wegschaffen?
Auf jeden Fall. Denn man wechselt ja die Perspektive, tritt heraus aus dem Stress, nimmt das Dasein in den Blick und wendet sich damit an Gott. Ist nicht mehr so von außen bestimmt, sondern kann dem Frieden Gottes Raum geben, der immer da ist.

Viele Menschen sagen, sie bekommen beim Beten keine Antwort.
Ich gehe davon aus, dass Gott immer da ist und uns von allen Seiten umgibt. Ziel geistlichen Lebens ist  nicht so sehr die Suche nach Antworten, als der Gegenwart Gottes immer gegenwärtiger zu werden. Dadurch erübrigen sich die meisten unserer Fragen.

Klingt verlockend.
Braucht aber Übung. Daher lautet meine Devise: ,Wenn Du was ändern willst, mach immer dasselbe’ –  so sagte ein Lehrer von mir.  Schiele nicht auf eine Sofortwirkung, sondern gib Dir eine Woche, einen Monat  oder mehr Zeit. Beten lässt sich nicht am Erfolg messen, es unterliegt keinem Zweck.

Das unterscheidet es dann wieder vom Arbeiten.
Das kommt auf die Haltung an. Kontemplation kann eine Art des Arbeitens sein. Und in aller Arbeit – mit Ziel und Zweck – kann ich doch in der Freiheit des Gebets bleiben.

Frank Puckelwald - Copyright: privat
Frank Puckelwald

Beten mit Frank Puckelwald

Beten ohne Worte
Die unterschiedlichen Formen von Gebet kann man lernen und üben. Das geht auch ohne viele Worte. Man kann mit dem Leib beten. Sich einfach mal hinknien. Oder beide Hände auf den Herzraum legen und sie öffnen zu einer empfangenden, offenen Geste. Wer das regelmäßig macht, kann auf Dauer spüren, dass sich dadurch etwas bewegt. Man fühlt sich mit der Zeit vielleicht sogar freier und unabhängiger.

Wer lange nicht mehr gebetet hat
Nehmen Sie sich fünf Minuten, setzen Sie sich hin und tun Sie mal nichts als zu sitzen. Legen Sie die Hände zu einer Schale zusammen. Wenn Sie mögen, sprechen oder denken Sie die Worte: ,Du in mir ich in Dir, Gott’ – zum Beispiel – oder einen Satz aus den Psalmen: ,Von allen Seiten umgibst Du mich'.

Beten im Job
In der Mittagspause rausgehen, im Sommer die Schuhe auszuziehen, den Boden unter den Füßen spüren und den Himmel über sich. Wenn das Wetter nicht danach ist: sich ein anderes stilles Plätzchen suchen. Jeder wird da seine Minuten und Möglichkeiten finden.

Neugierig geworden? Weitere Infos hier: