Botta trifft Schmidt Was Kirche und Politik voneinander lernen können


Am vergangenen Freitag, 17. Januar, öffnete sich das Haus der Kirche für die Gesellschaft Hamburgs. Und wenn es nach den Veranstaltern und Pröpstin Anja Botta geht, nicht zum letzten Mal. Zum Auftakt eines neuen Formats traf sie den Chef des Bundeskanzleramts Wolfang Schmidt.

Die Intention dahinter ist klar: „Kirche muss sich in die Gesellschaft und in das Quartier bewegen“, erklärt Botta zum Auftakt der Veranstaltung. Das aktuelle politische Klima und die hohe gesellschaftliche Bedeutung von Kirche macht eine solche Entscheidung unabdingbar. Ungefähr 70 Menschen sind der Einladung in den Synodensaal vom Haus der Kirche in Niendorf gefolgt, um live dabei zu sein, wie Kirche und Politik aufeinandertreffen – und dabei einige Gemeinsamkeiten feststellen. 

„Wir müssen mit den Menschen ins Gespräch kommen“ 

Der Glaube ist es im Fall von Schmidt und Botta allerdings nicht: Der Politiker bezeichnet sich selbst als „kirchensteuerzahlenden Atheisten“, der mit den Jahren seinen Glauben zwar verloren habe, Kirche selbst jedoch bis heute als einen wichtigen Ort des Trostes sieht. Wie auch Botta die Kirche, sieht Schmidt die Politik in der Handlungspflicht: „Wir können nicht mehr warten, bis die Leute auf uns zugehen. Wir müssen mit ihnen ins Gespräch kommen.“ 

Denn klar ist: Beide Seiten verlieren seit Jahren an aktiven Mitgliedern. Oft wird in diesem Zusammenhang bei Kirche von leeren Gottesdiensten gesprochen. Zu simpel, erklärt Botta, schließlich sei Kirche so viel mehr als das. „Und die Menschen treten nicht wegen einer schlechten Predigt aus.“ Auch externe Faktoren wie die hohe Inflation bringen viele Menschen dazu auf den Kostenfaktor Kirchensteuer zu verzichten. 

Dabei zeige sich im direkten Austausch mit den Menschen, dass Kirche eine Relevanz für sie hat – egal ob jung oder alt. So beispielsweise beim Christopher Street Day (CSD), auf dem Botta vor Jahren mit anderen Kolleg*innen einen Stand für „Free Blessings“ („kostenlose Segnungen) angeboten hatte. An diesem Tag habe sie viele und intensive Gespräche mit den Menschen geführt, die aktiv auf sie zukamen und um eine Segnung baten. „Es gibt eine große Ansprechbarkeit. Wir müssen unsere Sprache überdenken, unsere Kirchen-Bubble verlassen.“ 

„Demokratie bedeutet, sich gegenseitig zuzuhören“ 

Und auch die Politik muss mit immer weniger Menschen auskommen, die sich ehrenamtlich engagieren. Was, so erklärt Schmidt, auch einen Grund in dem „Volkssport“ habe, Politker*innen und Ehrenamtliche an Infoständen zu beleidigen. „Es gibt heutzutage eine Art ‚Parteiverachtung‘. Und die Wut bekommen neben Politiker*innen auch die Menschen ab, die ehrenamtlich an Infoständen arbeiten.“ 

Wie auch Kirche versuche die Politik schon lange, in das direkte Gespräch mit den Menschen zu kommen. „Haustürwahlkampf“ ist der Begriff dafür. Die politische Lage, nicht zuletzt das Auftreten von US-Präsident Donald Trump und seiner polemischen Art Politik zu betreiben, erschwere den Dialog jedoch immens. Denn diese Art übertrage sich auch auf die politische Stimmung in Deutschland: „Manche Parteien beschreiben nur komplexe Probleme in Großbuchstaben, schreien sich an und  vermitteln vermeintlich einfache Lösungen. Aber Politik und Demokratie bedeuten, Respekt vor unterschiedlichen Meinungen zu haben und Kompromisse einzugehen.“ 

„Kirche gibt in einer unübersichtlichen Zeit Halt und stabilisiert“ 

Was, wenn Kirche irgendwann nicht mehr sein sollte? Eine düstere Zukunftsprognose, die für ganz Deutschland und viele gesellschaftliche Randgruppen schwere Konsequenzen hätte, wie Schmidt erklärt: Menschen, die auf der Suche nach Trost und Gemeinschaft sind, würde ein wichtiger Ort wegbrechen. Und nicht zuletzt im Dialog mit Politik stellt Kirche eine große Instanz für gesellschaftlichen Minderheiten dar. „Die Kirche gibt den Schwachen eine Stimme, sorgt dafür, dass auch weniger Mächtige Gehör finden.“ 

„Wir stehen für klare Werte wie Erhaltung der Schöpfung und Menschenwürde. Mit unseren diakonischen Einrichtungen geben wir Halt und Stabilität“, ergänzt die Pröpstin. Die gesamte Gesellschaft brauche Begegnungsorte, an dem ein Dialog geführt werden kann. Das dürfe dann auch gern ein hitziges „aber sachliches“ Gespräch sein, so Botta. „Doch sprechen müssen wir miteinander.“ 

Dafür kann Kirche eine Bühne sein. Auch deswegen ist die Veranstaltung „Botta trifft Schmidt“ der Auftakt eines neuen Formats, in dem sich das Haus der Kirche in Niendorf der Gesellschaft auch in Zukunft für spannende Dialoge und Begegnungen öffnen möchte. 

In der ganzen Stadt gibt es darüber hinaus weitere Veranstaltungen, in denen Kirche und Politik ins Gespräch kommen. So unter anderem in der St. Nikolai am 17. Februar ab 19 Uhr: Im neuen Format „Politische Kanzlei“ stellen sich die Parteien Fragen zu ihrem Wahlprogramm im Kontext von Kirche und Religion. Schwerpunkte werden unter anderem sein: die Herausforderungen der Migration, der Beitrag des interreligiösen Dialogs und nachhaltige Strategien gegen Antisemitismus. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Hauptkirche St. Nikolai.