Umfrage Briefe an die Zukunft

Hamburger und ihre Hoffnungen

Hoffnung ist wie ein Brief an die Zukunft. Ein Vorschuss an Zuversicht – nach einem Jahr, das für viele Menschen alles andere als leicht war. Wir haben einen Blick ins neue Jahr gewagt und Menschen gefragt, was ihnen Hoffnung gibt

 

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Shakiba Mohammadzadeh

Meine Familie

Ich lebe seit vier Jahren mit meinen beiden Kindern in Hamburg. Wir sind aus Afghanistan geflohen. Ich bin gerade dabei, besser Deutsch zu lernen. Das fällt mir nicht leicht. Meine Kinder sprechen besser Deutsch als ich. Aber ich habe fest vor, einmal in einer Apotheke zu arbeiten. Dafür brauche ich eine perfekte deutsche Sprache. Ich erziehe meine Kinder allein, sie sind acht und sechs Jahre alt. Wir haben eine kleine Wohnung, mit Herd im Flur. Mir gibt meine Familie Hoffnung. Meine Eltern und meine fünf Geschwister leben in Rostock. Sie sind dabei eine Wohnung in Hamburg zu suchen. Würden sie in der Nähe wohnen, wäre das eine große Erleichterung für mich.
Shakiba Mohammadzadeh, 22, aus Volksdorf

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Karsten Friedling

Das Leuchten in den Augen

Ich engagiere mich in der Flüchtlingshilfe in Hittfeld. Mir gibt das Leuchten in den Augen der Menschen Hoffnung, die Dankbarkeit, die wir als Unterstützer erfahren. So haben wir neulich dem ersten Flüchtling eine Wohnung vermittelt und er konnte seine Familie nachholen. Möglich wurde das, weil der Eigentümer eine Doppelhaushälfte nicht zu der ortsüblichen Miete anbot. Stattdessen vermietet er das Haus zu einem günstigen Zins. Immer wieder begegnen uns auch Vorurteile. Flüchtlinge aus unserem Internationalen Café wirken bei Videos mit, die diese entkräften. Die stellen wir dann auf unsere facebook-Seite. Ich habe die Hoffnung, dass wir es in Hittfeld schaffen, allen 120 Flüchtlingen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine sind und sie zu integrieren.
Karsten Friedling, 47, Polizist 

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Bischöfin Kirsten Fehrs

Menschen, die selbstverständlich helfen

Kürzlich habe ich Menschen und Koordinatoren in der "Neuen Burg" in der City besucht, ein Gebäude, in dem das Kirchenbündnis in Hamburg jede Nacht Transitflüchtlinge unterbringt und versorgt. Es ist faszinierend, mit welcher Selbstverständlichkeit und Professionalität die Ehrenamtlichen die Arbeit für die Menschen organisieren, die ihre Heimat verloren haben. Das gibt mir Hoffnung! Uns wachsen Menschen und Kräfte zu, von denen wir gar nichts geahnt haben, gerade auch viele junge Leute. Das finde ich eine echte Mutmach-Geschichte, die ansteckt. 
Kirsten Fehrs, 54, Bischöfin der Nordkirche im Sprengel Hamburg und Lübeck

 - Copyright: Stephan Wallocha
Die Kinderbischöfe Ronja, Ricky und Ella (von links)

Aufklären, sich engagieren, beten

Ronja: Wir haben uns als Kinderbischöfe das Thema Kinderarbeit vorgenommen und darüber aufgeklärt. Je besser Menschen über die schlimmen Bedingungen informiert sind, umso mehr achten sie darauf, Waren zu kaufen, die ohne diese produziert werden. Manche Menschen spenden oder übernehmen Patenschaften, damit die Kinder zur Schule gehen können und nicht mehr arbeiten müssen. Das macht mir Hoffnung.

Ella: Flüchtlinge sollen von anderen Menschen so gesehen werden, wie sie sind. Das ist nicht überall so. Aber viele Menschen in Deutschland engagieren sich für Flüchtlinge, das gibt mir Hoffnung.

Ricky: Wenn ich ein gläubiger Flüchtling wäre, dann würde ich zu meinem Gott beten. Beten gibt Hoffnung und Zuversicht, denn Gott hört zu.
Die Hamburger Kinderbischöfe Ronja Dorothea Kühn,11, Ricky Wittig,11, und Ella Pegel,10, (von links). 

 - Copyright: Sabine Henning/kirche-hamburg.de
Jan

Meine Geige

Seit einem Jahr spiele ich Geige. Das Instrument habe ich mir auf dem Flohmarkt gekauft. Ich nehme Unterricht und übe täglich, eine bis eineinhalb Stunden – wenn meine Schulter nicht gerade schmerzt. Wenn ich Geige spiele, fühle ich mich wie ein achtjähriger Junge. Das gibt mir Hoffnung – und Power. Ich brauche das für meine innere Stabilität. Zehn Jahre lang war ich obdachlos. Seit 2012 habe ich eine Wohnung. Ich verkaufe die Hinz & Kunzt, stehe vor einem Supermarkt in der Behringstraße und auf dem Spritzenplatz in Altona, vier bis fünf Stunden am Tag. Wenn ich kürzer arbeite, bin ich unzufrieden mit mir. Ich kann nicht immer als Obdachloser zählen. Ich möchte in dieser Gesellschaft ankommen.
Jan, 69, Hinz & Kunzt-Verkäufer

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Ulrich Hermannes

Jesus, Erwin und die Kanzlerin

Was mir Hoffnung gibt? Dazu fällt mir Verschiedenens ein:

  • Der Gedanke, dass mit Jesus vor 2015 Jahren jemand geboren wurde, der damals und heute kaum Chancen hätte: prekäre Lebensverhältnisse, keine gesicherte Unterkunft, Migrationshintergrund – und dennoch: Er ist die leibhaftige Hoffnung.
  • Unser Team bei den „hoffnungsorten“: viele Charaktere, Menschenfreunde von 16 bis 82 Jahren, ein Riesenspektrum  an Lebenserfahrung, sprachfähig und mit Herz und Seele dabei
  • Der große Vorschuss an Vertrauen, den ich von meinen Eltern erhalten habe und der mich bis heute trägt.
  • Erwin aus unserem Tagesaufenthalt für Wohnungslose „Herz As“ feierte in diesem Jahr seinen 10. trockenen Geburtstag, nachdem er sich über Jahrzehnte fast zu Tode gesoffen hatte
  • Eine Kanzlerin, die sagt: „Wir schaffen das.“
    Ulrich Hermannes, Geschäftsführer hoffnungsorte hamburg