Thema Advent Der erste Adventskranz war ein Wagenrad mit vielen Kerzen

Mit Tannengrün geschmückt wird der Adventskranz erst seit etwa 1860. Wer mag, bindet ihn selbst

Zur Vorweihnachtszeit gehört ein Adventskranz. Erfunden wurde er vor 175 Jahren in Hamburg, von Johann Hinrich Wichern (1808-1881), dem Vater der evangelischen Diakonie. Das Urmodell war ein Wagenrad - es diente auch einem pädagogischen Zweck.

Wichern war im Jahr 1833 in ein altes Bauernhaus gezogen - weitab vor den Toren Hamburgs. Es hieß "Das Rauhe Haus" und wurde zur Heimat für verwahrloste und verwaiste Kinder aus den Hamburger Elendsvierteln.

Die Kinder hätten ihn ständig gefragt, wann denn nun endlich Weihnachten sei, so berichtet die Chronik des "Rauhen Hauses". Um ihre Frage zu beantworten, aber auch um ihnen das Zählen beizubringen, brachte er auf einem hölzernen Wagenrad so viele Kerzen an, wie es Tage vom ersten Adventssonntag bis zum Heiligen Abend waren. Vier weiße für jeden Sonntag und rote für die Werktage.

Seit 1860 etwa wird der Adventskranz mit Tannengrün geschmückt, 1925 übernahm erstmals eine katholische Kirche in Köln den Brauch. 1930 wurde der erste Adventskranz in München gesichtet. Der Siegeszug des neuen Brauchtums war nicht mehr aufzuhalten.

Die Anzahl der Kerzen reduzierte sich

Nur die Zahl der Kerzen hatte sich im Laufe der Zeit auf vier reduziert, weil er für die Wohnzimmer der Bürgerhäuser zu groß war. Hätte man die Kerzen enger zusammengerückt, hätten sie sich gegenseitig zum Schmelzen gebracht. Auch die Farbe änderte sich: Aus den weißen Sonntagskerzen wurden rote.

Einen großen "Originalkranz" findet man heute noch zuverlässig im "Rauhen Haus". Doch auch im Hamburger Rathaus und im Michel hängt einer. Der größte Wichern-Kranz wurde in dieser Woche auf den Lüneburger Wasserturm gehievt. 1,5 Tonnen ist er schwer und hängt in 56 Meter Höhe. Doch sein prominentester Ort ist der Deutsche Bundestag. Am Freitag soll er den Bundestagsabgeordneten zur Erleuchtung verhelfen.

Das Wichernhaus steht heute mitten in Hamburg

Das von Wichern gegründete "Rauhe Haus" ist stark gewachsen. Aus den 14 Jungen sind bis heute mehr als 3.000 Menschen geworden. Die Stiftung ist in der Kinder- und Jugendhilfe, Sozialpsychiatrie, Altenhilfe und Behindertenhilfe an 100 Standorten tätig. Sie ist Trägerin der Wichern-Schule, der Ev. Berufsschule für Altenpflege sowie der Ev. Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie -  und hat sogar eine eigene U-Bahn-Haltestelle.

Das kleine Reetdach-Haus, in dem Wichern seinen ersten Adventskranz aufstellte, wird heute als Museum und Tagungshaus genutzt. Es war im 2. Weltkrieg durch Bomben und 2003 durch Brandstiftung zerstört und immer wieder aufgebaut worden. Allerdings steht es heute nicht mehr vor den Toren Hamburgs, sondern mittendrin.