Protest gegen TTIP "Der Handel muss den Menschen dienen"

Noch findet diese Bäuerin aus Indien Abnehmer für ihre Tomaten – das könnte sich mit TTIP ändern

Weit mehr als 30.000 Menschen sind am Sonnabend gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA in der City auf die Straße gegangen. Auch die evangelische Hilfsorganisation Brot für die Welt hatte zu dem Protest aufgerufen. Bildungsreferentin Linda Corleis sagt, warum

Warum warnt Brot für die Welt davor, dass TTIP die Armut im Süden verschärfen wird?
Als evangelische Hilfsorganisation engagieren wir uns auch für eine faire und ökologisch nachhaltige Handelspolitik. Diese ist mit CETA und TTIP nicht gegeben. Die Abkommen maximieren eher den Gewinn der großen Unternehmen. Sie nützen nicht den Kleinbauern vor Ort. Handel muss jedoch in erster Linie dem Menschen dienen. Dann erst kann er global zu Entwicklung und Wohlstand beitragen.

Was ist Ihre Hauptkritik?
Im Lissabon-Vertrag von 2009 hat die EU festgelegt, ihr außenpolitisches Handeln so auszurichten, dass es der Entwicklungspolitik und der Armutsbekämpfung nicht entgegenwirkt. In den bisherigen Verabredungen – soweit sie bekannt sind – spielt das keine Rolle mehr. Die EU handelt mit dem Abkommen gegen ihre eigenen Versprechungen und Verpflichtungen und gegen unsere christliche Ethik, dass alle Menschen gleich und gerecht behandelt werden müssen

Was bedeutet TTIP für die Länder des Südens?
Das Abkommen fördert die industrielle und exportorientierte Landwirtschaft und diskriminiert Kleinbauern. Diese jedoch ernähren bislang 80 Prozent der Menschen weltweit. Durch den Abbau von Zöllen zwischen den USA und der EU verlieren die Entwicklungsländer ihre bisherigen Zollvorteile für die EU und damit viele „Kunden“. Denn dann könnte die EU beispielsweise Baumwolle, Zitrusfrüchte oder Fisch günstiger aus den USA importieren.

Das heißt, dass die Lebensgrundlage der Kleinbauern gefährdet ist.
Genau. Ein weiterer Effekt wäre, dass sie mit ihren Produkten wie Tomaten oder Fleisch auf den lokalen Märkten nicht mehr mithalten können, weil die Exportprodukte aus der EU und den USA preiswerter sind.

Was steckt aus ihrer Sicht hinter TTIP?
TTIP ist ja quasi ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und der EU, das ohne die Beteiligung der Schwellen- und Entwicklungsländer verhandelt wird. Tritt es in Kraft, entsteht der größte Wirtschaftsblock der Welt. An dessen Regelungen kommt dann keiner mehr vorbei. Dahinter steckt die Angst vor dem Aufstieg der Schwellenländer, allen voran China, Indien und Brasilien.

Könnten nicht Standards, auf die man sich einigt, auch Qualität steigern und Produktionsbedingungen verbessern?
Es wäre schön, wenn es darum ginge! Das Gegenteil ist der Fall. Mit den weltweiten TTIP-Normen und Standards wollen sich die EU und die USA Vorteile im internationalen Wettbewerb sichern. Laut Abkommen sollen Ausfuhrzölle für natürliche Ressourcen, etwa Kupfer und Erz aus Ländern des Südens wegfallen. Das ist letztlich Ausbeutung und widerspricht auch den im vergangenen September verabschiedeten Nachhaltigkeitszielen 2030 der UN.

Was kann der Protest bewirken?
In den darauf folgenden Tagen und Wochen stehen wichtige Abstimmungen zu CETA an, in der SPD, im EU-Ministerrat. Wir hoffen, dass wir Politiker zum Umdenken bewegen können, die noch unentschieden sind. Auch als Christen wollen wir ein Zeichen setzen. Denn wir stehen für den Erhalt der Schöpfung und für ein würdiges Leben aller Menschen ein. CETA und TTIP laufen dem zuwider. Einmal in Kraft getreten setzen sie Maßstäbe, die wir so schnell nicht mehr zurück drehen können.

  • CETA (Comprehensive Ecomomic and Trade Agreement) ist ein europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen. Der Vertrag enthält umfassende Handels- und Zollerleichterungen. Es gilt als Testfall für das US-amerikanische-europäische Handelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Das Ziel des Abkommens: die EU und die USA wollen mit der größten Freihandelszone der Welt die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks ankurbeln. Kritiker bemängeln die Intransparenz bei den Verhandlungen und fürchten um soziale und ökologische Standards.