Zwischenbilanz Diakonie-Chef: "Flüchtlinge zum Teil der Lösung machen"

Flüchtlingspastorin Dietlind Jochims, Diakonie-Chef Dirk Ahrens und Landesbischof Gerhard Ulrich

Wo und wie setzen sich Kirche und Diakonie für Flüchtlinge ein? Eine Zwischenbilanz haben heute Gerhard Ulrich, Landesbischof der Nordkirche, Flüchtlingspastorin Dietlind Jochims und der Hamburger Diakonie-Chef Dirk Ahrens gezogen

Dabei warnte Ahrens davor, Flüchtlinge gegen andere notleidende Menschen auszuspielen. So setze sich die Diakonie seit Jahren erfolglos dafür ein, dass Wohnungslose im Winter tagsüber in ihren Notquartieren bleiben dürften. Wenn das für Flüchtlinge möglich sei, schüre das „Sozialneid auf unterstem Niveau“.

Er wünsche sich eine koordiniertere Zusammenarbeit mit den Behörden, sagte Ahrens. Zudem müssten Wege gesucht werden, um die Flüchtlinge zum „Teil der Lösung zu machen“. Diese hätten sich „durch die halbe Welt gekämpft.“ Sie seien jetzt „extrem fokussiert“ darauf, sich eine Existenz in Hamburg aufzubauen. Statt dies zu ermöglichen, seien sie häufig zu wochenlangem Warten in den Unterkünften verdammt.

Gemeinsam mit der Flüchtlingspastorin der Nordkirche, Dietlind Jochims, und Landesbischof Gerhard Ulrich zog er eine überwiegend positive Zwischenbilanz der kirchlichen und diakonischen Flüchtlingshilfe. Freiwillige übernähmen im persönlichem Kontakt Aufgaben, die „extrem stabilisierend“ wirkten. Die Diakonie unterstütze sie dabei, etwa durch die Ausbildung zum „Flüchtlingslotsen“. Die Freiwilligen bräuchten eine verlässliche Einsatzplanung und Möglichkeiten, über das Erlebte zu sprechen: „Sonst brennen sie aus.“

Umschwung beim Kirchenasyl

Landesbischof Gerhard Ulrich sagte, nahezu jede vierte der 1.000 Kirchengemeinden in der Nordkirche sei in der Flüchtlingsarbeit tätig. In Hamburg beteiligten sich in Kirche und Diakonie allein 6.000 bis 7.000 Ehrenamtliche. Die Kirche müsse jedoch auch die Gefahr ernst nehmen, dass die Stimmung kippe. „Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die persönliche Begegnung mit Fremden möglich wird.“

Eine zunehmend repressive Gesetzgebung kritisierte Dietlind Jochims, die Flüchtlingspastorin der Nordkirche. So sei es seit Oktober gesetzlich legitimiert, dass Flüchtlingen statt wie zuvor drei nun sechs Monate in einer Erstunterkunft blieben. „Das kommt quasi einem verlängerten Arbeitsverbot gleich“, sagte Jochims.

Positiv äußerte sie sich zum Kirchenasyl, das es seit zwei Jahren in größerer Zahl auch in der Nordkirche gebe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe anerkannt, welch eine „wertvolle Menschenrechtsarbeit“ die Kirchen auf diesem Gebiet leisteten. „Diese Legitimation des Kirchenasyls ist vor einem Jahr nicht denkbar gewesen“, sagte Jochims, die zugleich Vorsitzende der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl ist.