Uraufführung Die große Gottshow

Religions-Checker: Scheibe auf heiliger Mission

Jan-Christof Scheibe ist Sohn eines Organisten. Und ein begnadeter Entertainer. In seinem neuen Stück sucht er Gott. „Ogoddogott“ feiert am Sonnabend Premiere. Ein Gespräch über eine nicht immer einfache Beziehung. Plus: Flop oder Top – unsere Kurzkritik finden Sie unten

Seit zwanzig Jahren spielen Sie ihre Solo-Comedy-Show „Zuviel Sex ist nicht gesund“. Jetzt widmen sie sich einem anderen Paarthema: der Beziehung zu Gott. Wie sind Sie darauf gekommen?
Als Sohn eines Organisten habe ich Kirche von Kindesbeinen an - quasi „ backstage“ - erlebt. Mittlerweile bin ich eigentlich nur noch zu Weihnachten in der Kirche. Leider! Denn ich bin davon überzeugt, dass Glaube eine gute Sache ist.

Warum?
Er setzt Dinge frei und unterstützt uns auf Ebenen, die wir mit unserem Verstand nicht begreifen. Deshalb habe ich  mich gefragt: Wo ist meine Verbindung zur Kirche geblieben? Wann ist da was schief gelaufen?

Und zu welcher Antwort sind sie gekommen?
Zu einer Trennung gehören immer zwei. Nicht nur ich muss mich bemühen. Die Kirche hat auch die Aufgabe, ihre Schäfchen zu erreichen.

Kann Kirche sexy sein?
Sinnlich auf jeden Fall. Da sehe ich deutliche Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen. Die Protestanten geben sich – das ist in ihrer Geschichte begründet – bewusst bescheiden und unsinnlich, Prunk und Pomp sollen nicht von Gott ablenken. Dadurch ähneln manche Kirchen allerdings atmosphärisch auch eher Bezirksämtern als Gebetsstätten. Und auch unter den Pastoren gibt es „so´ne und solche“: sehr spirituelle, aber eben leider auch viele nicht so „berufene" Menschen, die auch Mathelehrer hätten werden können. Oder Steuerberater. Gelebte Spiritualität finde ich dort selten, soziales Engagement allerdings schon.

Sie teilen ja ganz schön aus.
Anlass für das Programm war ein Gespräch mit einem Freund. Er berichtete mir über den Besuch einer Taufe. Er ist Atheist, aber eigentlich ein offener, begeisterungsfähiger Mensch. Er erzählte, es sei „unterirdisch“ und langweilig gewesen, seine eh nicht sehr hohen Erwartungen seien noch unterboten worden. Und das hat mich geärgert: Da betreibt eine eigentlich sympathische Institution wie die Kirche so einen Aufwand, und es kommt so wenig dabei heraus!

Was ist Ihre Strategie dagegen?
Humor! In meinem Programm rede ich mit Gott. Ich stelle Fragen. Das hat Martin Luther auch gemacht. Ich glaube, dass ketzerische Fragen der Sache nützen. Die eine Wahrheit gibt es nicht.

Woran glauben Sie?
Ich habe kein Problem damit, wenn sich Menschen ihren individuellen Glauben zusammenbasteln. Im Gegenteil, das ist manchmal der härtere Weg. Aber es trifft den Kern eher: Das ist, was Menschen auf der Welt als heilig und wahr empfinden, egal welcher Religion sie angehören. Glauben heißt für mich, Dankbarkeit empfinden zu können. Es bedeutet nicht, sich klein zu machen oder sich unter zu ordnen.

Auf der Bühne sprechen sie unverblümt mit Gott, beknien ihn, handeln mit ihm. Wie beten Sie privat?
Das Vaterunser bete ich nur zu Weihnachten. Aber alles, was ich bewusst tue, ob ich spazieren gehe, meditiere, zuhöre, komponiere, ist Kommunikation mit Gott.

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  • Sabine Henning, kirche-hamburg.de-Redakteurin, hat "Ogoddogott" vorab gesehen. Lesen Sie ihre Kritik

    Leere Kirchen, Gottesdienste zum Gähnen, uninspirierte Pastoren: Jan-Christof Scheibe lässt kein Klischee aus, wenn es um die Kirche geht. Besonders die evangelische, in der er aufgewachsen ist. Wäre sie eine Frau, wäre sie die Pragmatikerin "Frauke" mit der quadratisch-praktischen Ponyfrisur. Viel verlockender, weil fremder, ist da schon die katholischen „Katharina“. Die zeigt sich gerne geheimnisvoll im Weihrauchnebel. Soweit so – nun ja – abgedroschen.

    Doch dabei bleibt es nicht. Scheibes Gottessuche geht weiter und tiefer. Sie ist wortwitzig und unverblümt, frech und nachdenklich. Der Multiinstrumentalist hat tolle Songs im Gepäck. Er taucht die in Abgründe der Weltreligionen, des Yoga-Kults, des zwanghaften Nichtglaubens der Atheisten, des Götzen Fußball. Er begibt sich in die Rolle des TV-Predigers Bob und entlarvt, wie sich Manipulation auszahlt.

    Die (Er-)Lösung findet er am Ende nicht. Aber manche Erkenntnis. Wie die, dass wir das lieben, was uns geprägt hat (in seinem Fall: "Frauke"). Und dass Gott sich vor keinen Karren spannen lässt. Scheibe beherrscht alle Register seiner Kunst, von poetisch und bis krachend. Reingehen!

  • Scheibe trat schon mit zehn Jahren in der "Peter Alexander-Show" auf. Nach dem Studium der Komposition wurde er Popmusiker und Musikproduzent. Er arbeitete als Arrangeur der "Best of Dreigroschenoper" mit Dominique Horwitz und wirkte als Komponist und musikalischer Leiter bei großen Produktionen unter anderem für das Hamburger Schauspielhaus, das Thalia Theater und das Frankfurter Schauspiel.

    Seine Comedy-Solo-Show "Zuviel Sex ist gar nicht gesund" spielt in Hamburg mittlerweile im 20. Jahr. Außerdem ist Scheibe Gründer und Leiter des "Heaven Can Wait"-Chores. Hier haben sich Sängerinnen und Sänger im Alter von 70 bis 90 Jahren der modernen Popmusik verschrieben und singen Lieder von Jan Delay, Nirvana, Deichkind und Peter Fox regelmäßig im St. Pauli Theater oder auf Kampnagel.

  • OGODDOGOTT von und mit Jan-Christof Scheibe
    Uraufführung
    Zeit: Sonnabend, 22. Oktober, 20 Uhr
    Ort: Gruenspan, Große Freiheit 58, 22767 Hamburg
    weitere Termine: 31.10., 03.11., 23.11., 13.12., 20.12., Beginn jeweils 20 Uhr
    Tickets: Abendkasse 27 €, Vorverkauf 22 €, Ermäßigungen möglich, Tickets online und an allen Vorverkaufskassen