4.317 Pfandflaschen gegen Armut Die Not Obdachloser ergründen

Ein Zeichen gegen Armut wollten sie setzen. Und es berührte die Passanten mit welchem Engagement die zehn Hamburger Schulklassen und Jugendgruppen auf diesen wunden Punkt in der reichen Stadt Hamburg hinwiesen. Neben der Sammelstelle für die Pfandflaschen breitete eine sechste Klasse des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums ein großes Würfelspiel auf dem Boden aus - es informiert über Armut und Obdachlosigkeit. Die Schüler hatten in der Projektwoche eine Wohngemeinschaft für obdachlose Frauen besucht. Andere gingen in die Bahnhofsmission, zur Essensausgabe "Alimaus" auf dem Kiez oder besuchten die Straßenzeitung "Hinz&Kunzt". Das ist erlebtes Wissen, nicht Buchwissen – genug Stoff, um Pantomine, Plakate, Filme und Gedichte zu entwickeln. Oder eben ein Spiel.

 

Armut beschämt

Bischöfin Kirsten Fehrs begrüßte das Engagement der Schüler und der Flaschenspender: "Armut begegnet man nur, wenn man sich auf den Weg macht", sagte die Bischöfin. Und das Flaschenspenden und diese Beiträge seien eine wunderbare Solidaritätsaktion. Besonders bedankte sich Fehrs bei den Jugendgruppen, die sich so kreativ mit dem Thema Armut auseinandergesetzt hätten. Das sei ein Zeichen von Hoffnung. „Armut beschämt und isoliert“, sagte sie, aber mit diesen Beiträgen bekomme die Armut ein Gesicht.

 

So entwickelte die Konfirmandengruppe der Kirchengemeinde Othmarschen einen Videofilm über Armut in Hamburg. Die Klasse 9c der Erich-Kästner-Schule interviewte Obdachlose beim Flascheneinsammeln. Die Antworten präsentierte sie in einer nachgestellten Szene. Immer ging es auch darum, die Würde des Interviewten nicht zu verletzen und Abwehr zu akzeptieren. Die Antworten waren dann auch überraschend. Nicht nur, dass man Obdachlose und Arme nicht auf den ersten Blick erkennt, sondern auch, dass manche mit diesem armen Leben zufrieden sind. Jedenfalls im Sommer und wenn sie etwas Pfandgeld gesammelt haben. Aber auch die Scham der Obdachlosen über ihr Schicksal erlebten die Schüler hautnah.

 

Eine Slumhütte nachbauen

Die Klasse 9d der Erich-Kästner-Schule, die eine Slumhütte nachbaute, erlebte am eigenen Leib, was fehlte. Bei einer Schlafsack-Übernachtung in der Holzhütte vermissten sie am meisten die Hygiene, Privatsphäre, Zivilisation, ihr Handy und vieles mehr. Ihre Bilderschau zeigte auch, wo die Hütten in Slums auf den Müllhalden in Brasilien stehen. Auch wenn sie anfangs Spaß hatten, länger als einen Tag wollte keiner das Übernachtungs-Experiment fortführen.

 

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch die Parallelklasse 9e, die ein paar Stunden am Hauptbahnhof ihr Lager unter Plastikplanen aufgeschlagen hatten. Zu ihnen gesellten sich als Nachbarn echte Obdachlose im Schlafsack. Mit so viel Nähe zur Armut hatten die Schüler nicht gerechnet. Beide Aktionen hatte die "Junge Akademie für Zukunftsfragen" des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein unterstützt.

 

Einfache Wünsche

Was sich echte Straßenkinder wünschen, hat eine andere Gruppe aus der Schule zusammen getragen. Es sind bescheidene Wünsche: Duschen, eigenes Zimmer, eine echte Familie, einen Schulabschluss, einen richtigen Job, einmal gut Essen oder warme Klamotten.


Ob Jugendliche aus der Familie auf die Straße geflohen sind oder jemand in Beruf und Familie gescheitert ist und obdachlos wurde, immer entdeckten die Jugendlichen auch ein Fazit. Manchmal lernt man das geregelte Leben erst wieder schätzen, wenn man es verloren hat. Und das ist auch eine Erfahrung.

 

Der Erlös der gespendeten Pfandflaschen fließt zu 100 Prozent in einen Fonds, der wohnungslosen Familien in Hamburg vorübergehend eine gemeinsame Bleibe stellt. Einige Euro spendeten zudem Passanten, die von der Aktion erfuhren. Ein Transporter mit einer Ladung Pfandflaschen hatte es nicht zum Termin geschafft, sein Flaschenerlös soll aber noch dazu kommen.

 

An der Aktion gegen Armut waren federführend die Stadtmission, die Bahnhofsmission und die Rathauspassage sowie die Straßenzeitung Hinz&Kunzt beteiligt. Mit drei Schülergruppen arbeitete die Junge Akademie für Zukunftsfragen.