Christi Himmelfahrt Du siehst mich

Himmelfahrt mit Flussschifferkirche – zum Kirchentag auf dem Weg in Magdeburg

„Du siehst mich“ ist das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentages, der gestern in Berlin eröffnet wurde. Mit dem Wunsch wohl angesehen zu sein, beschäftigt sich Propst Thomas Drope in seinem Wort zu Christi Himmelfahrt

Siehst du mich noch? Die bange Frage beschäftigt uns ein Leben lang mehr als wir meinen. Wie oft fühlen wir uns mit unseren Leistungen und unseren Ideen nicht gesehen, aber auch nicht mit unseren Sorgen und mit unserer Traurigkeit. Wie es uns persönlich geht, scheint niemanden zu interessieren. Und damit schwindet unser Einfluss auf unsere Lebensgestaltung.

Wir haben das Gefühl, ein großer Apparat bestimmt unser Leben. Seine technischen Möglichkeiten sind ausgefeilt genug, bis in unsere Wohnstuben und in unsere privaten Unterlagen vorzudringen. Sei es zur Kontrolle, sei es zur Manipulation. Interesse an uns als Einzelwesen mit besonderen Fähigkeiten, mit eigenen Gefühlen, Hoffnungen und Bedürfnissen, ist in diesem Apparat nicht vorhanden. Wenn es von dort dann heißt: Wir sehen dich, klingt das wie eine Drohung.

In dieser allgemeinen Gefühlslage ist die Kirchentagslosung Erinnerung an eine andere Wirklichkeit. „Du siehst mich“ geht auf einen Vers aus der biblischen Erzählung von Hagar und Ismael im ersten Buch Mose zurück: Du bist Gott, der mich sieht (1. Mose 16,13).

„Du siehst mich“ – das meint: Gott sieht mich. Nun aber nicht im Sinne des alten Kalauers: „Der liebe Gott sieht alles.“ Sondern in der Richtung von: Gott sieht uns, seine Menschen, mit Liebe an. Er lässt seinen Blick auf jeder und jedem von uns ruhen und verheißt: „Ich weiß; und ich bin bei dir.“ Da ist kein Geheimnis vor ihm, dessen Aufdeckung wir fürchten müssten. Sein aufmerksam liebender Blick ruht auf uns.

Eine Anekdote berichtet von einer Begebenheit in einer Kirche. Ein alter Bauer saß darin gern auch wochentags immer in der letzten Bank. Eines Tages fragte ihn der Küster, was er eigentlich mache, wenn er so da sitze: „Worauf warten Sie?“ Der Bauer deutete aufs Kreuz und sagte: „Ich schaue ihn an; und er schaut mich an.“

Ob wir selbst auch so geduldig auf andere, auf unsere Freunde, auf unsere Kinder, auf Fremde, ja sogar auf Gott blicken könnten? Vielleicht würden wir dabei merken, wieviel Güte auf uns zurückfiele, und uns nicht mehr bang fragen: werde ich überhaupt gesehen? „Du siehst mich“ – das Leitwort weist über den Kirchentag hinaus. Es sagt aus: Ich bin nicht allein mit mir. Ich bin bei Gott wohl angesehen.

Thomas Drope ist Propst im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein und Vorsitzender des Landesausschusses für den Kirchentag der Nordkirche