Ein Ort für stille Wege

Wo Trauer ihren Ort hat: der Friedhof Groß-Flottbek

Hamburg – Sie hat viele Lieblingsorte auf "ihrem" Friedhof. Jetzt, im Herbst, sitzt sie gerne im „Garten der Vögel“ und schaut auf die Atlaszedern mit ihren bläulichen Nadeln. „Dieser Anblick hat etwas Verträumtes, Mystisches“, sagt Michaela Szymanski, 44.

Die studierte Landschaftsgestalterin verwaltet den evangelischen Friedhof Groß-Flottbek am Stillen Weg. Das 9,5 Hektar große, hügelige Parkgelände  ist ein Ort des Gedenkens und Erinnerns, aber auch der Gemeinschaft.

Viermal im Jahr lädt die Verwaltung die Angehörigen der Verstorbenen ein, die in den vergangenen Monaten bestattet wurden. Sie feiern Andacht in der Friedhofskapelle. Die öffnet auch an diesem Sonntag, dem Ewigkeitssonntag – für alle, die gemeinsam an Menschen denken möchten, die für immer gegangen sind.

Offen für Menschen verschiedener Konfessionen

57 evangelische Friedhöfe gibt es in den beiden Hamburger Kirchenkreisen. Zwar verfügen sie insgesamt über weniger Fläche als die kommunalen, sagt Dirk Abts, Friedhofsbeauftrager beim Kirchenkreis Hamburg-Ost. „Dafür ist fast immer einer in der Nähe.“ Die kirchlichen Friedhöfe sind für alle Menschen offen, gleich welcher Konfession sie angehören.

Der Friedhof Groß-Flottbek wurde 1909 eröffnet. Die Wege verlaufen symbolisch in einem Kreuz. Eine Friedenseiche breitet ihre Zweige aus. Rotbuchen markieren stille Winkel. Im Norden gehört ein kleiner Wald dazu.

Seit 14 Jahren leitet Michaela Szymanski den Friedhof. Viel habe sich in den vergangenen Jahren verändert, sagt sie. „Menschen zu bestatten, ist längst nicht mehr alles. Wir sind zum Begleiter der Trauernden geworden und beraten intensiv.“

Kinder entdecken den Friedhof

Immer weniger Menschen wünschten sich ein einzelnes Grab. „Sie haben keine Angehörigen vor Ort oder wollen ihrer Familie nicht zur Last fallen“, weiß Szymanski. Stattdessen entscheiden sie sich für Orte in Grabfeldern, die vom Friedhof bepflanzt und gepflegt werden.

Doch der Friedhof ist nicht nur ein Ort der Stille, sondern auch des Lebens. Von morgens acht Uhr stehen die Pforten offen. Mütter schieben ihre Kinderwagen über die Wege.

Die Kirchengemeinde lädt Kinder aus der benachbarten Schule und dem Kindergarten zu Projekten ein: Sie pflanzen und hängen Vogelnistkästen auf, erfahren bei einer „Friedhofsrallye“ mehr über die alten Grabstätten und Bäume.

Mit dem Verlust eines geliebten Menschen klar kommen

Längst sind auch die kirchlichen die Friedhöfe mehr als Begräbnisstätten. Sie müssen sich auf dem Markt profilieren. Nicht nur, weil die Menschen immer älter werden. Sondern auch, weil es eine Vielzahl an Alternativen gibt. So werden Bestattungen beispielsweise in Wäldern immer beliebter. "Auch viele kirchliche Friedhöfe bieten das inzwischen an", sagt Abts. "Sogar Sargbestattungen sind hier teilweise möglich."

Ein weiterer Trend gehe dahin, Trauerorte zu privatisieren – und Verstorbene etwa im eigenen Garten zu beerdigen, sagt Abts. Bislang ist das noch verboten. Aber das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Vorreiter ist ab Januar das Bundesland Bremen, das eine entsprechendes Gesetz verabschiedet hat.

Abts bedauert das. Wer trauert, brauche auch mal Distanz, sagt er. „Sich in die Stille und Natur eines Friedhofs zurückzuziehen – und diesen Trauerort auch wieder zu verlassen, kann helfen, mit dem Verlust eines geliebten Menschen klar zu kommen.“

Der evangelische Friedhof Groß-Flottbek lädt zum Gedenken an Verstorbene ein

Zeit: Sonntag, 23. November, 15 Uhr
Ort: in der Friedhofskapelle, Stiller Weg 28, 22607 Hamburg

Der Friedhof ist in Kreuzform angelegt, wie der Plan von 1909 zeigt