Verschuldung und Beratung „Es kann fast jeden treffen“


Rund 7 Millionen Menschen in Deutschland sind überschuldet. Meist geraten sie unverschuldet an den Rand ihrer Existenz. Im Interview erzählt Catrin Sternberg von der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes, wie sie Menschen auf dem Weg in die Schuldenfreiheit unterstützt.

- - -

Zu Ihnen kommen Menschen mit großen finanziellen Problemen. Was sind die häufigsten Ursachen für Schulden?

Wer zu uns kommt, befindet sich meist aufgrund von Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit in einer schwierigen Lebenslage, die sich dann auch auf die wirtschaftliche Situation auswirkt. Das bedeutet: Der Großteil der Überschuldeten gerät unverschuldet in eine finanzielle Schieflage. Außerdem steigen die Mieten in Hamburg rasant, sodass arbeitslose Menschen oder Beschäftigte im Niedriglohnsektor oft kaum noch genug zum Leben haben.

Der Schritt, eine Schuldnerberatung aufzusuchen, fällt vielen sicherlich schwer. Auch Schuldgefühle und Scham spielen mit hinein. Wie gehen Sie damit um?

Tatsächlich kommen die meisten Menschen mit einem großen Schamgefühl zu uns. Wir fangen das auf, indem wir den Klienten im Einzelgespräch Mut machen, die Gesamtsituation analysieren und uns die Schulden genau anschauen. Oft stellen wir fest, dass sie schon deutlich gestärkt aus dem ersten Gespräch herausgehen. Dabei gilt: Wir sind die Fachleute für Schulden. Menschen mit vielfältigen Problemen vermitteln wir bei Bedarf an entsprechende Kooperationspartner weiter.

Wie helfen Sie Ihren Klienten konkret, wieder schuldenfrei zu werden?

Vor allem empfehle ich überschuldeten Menschen, sich möglichst frühzeitig an eine soziale Schuldnerberatungsstelle zu wenden. In der ersten umfassenden Beratung schauen wir uns die Gesamtsituation an, die zur Überschuldung geführt hat. Dann geht es darum, wie die finanzielle Perspektive aussieht. Kann die Person beispielsweise wieder eine Arbeit aufnehmen? Und wir überprüfen die Schulden genau, denn nicht immer sind alle Forderungen auch berechtigt. Dabei unterstützen wir unsere Klienten bei der Klärung von strittigen Forderungen und rechtlichen Fragen und führen Verhandlungen mit Gläubigern. Letzten Endes gibt es dann die Möglichkeit der außergerichtlichen Schuldenregulierung oder des privaten Insolvenzverfahrens.

Welche Tipps haben Sie, damit man erst gar nicht in eine finanzielle Schieflage gerät?

Die allgemeine Empfehlung ist, dass man etwa drei Nettogehälter als Rücklage für Notfälle zur freien Verfügung haben sollte. Wir müssen aber auch bedenken: Im Grunde genommen sind wir fast alle verschuldet, denn so funktioniert unser Wirtschaftssystem. Denken wir nur an den Dispokredit auf dem Girokonto oder die Finanzierung des Eigenheims. Deshalb lässt sich eine Verschuldung auch nie zu hundert Prozent ausschließen – es kann fast jeden treffen. Dennoch ist es natürlich auch wichtig, dass wir unsere Ausgaben und unser Konsumverhalten den eigenen finanziellen Einkünften anpassen.