„Flüchtlinge sind auch Niendorfer“


Prall gefüllte Plastiktüten liegen auf dem Rasen. Ein Jackenärmel mit Fellbesatz quillt aus einer Tasche, Handtücher sind sorgfältig in eine Kiste gestapelt. Mittwoch morgen vor dem Gemeindehaus der Kirche am Niendorfer Markt. Die Menschen stehen Schlange, weil sie Kleidung und Schuhe für Flüchtlinge abgeben wollen.

Nina Schrader, 32, nimmt Jacken und Pullover entgegen, Tischdecken und Babyklamotten. Eine Frau bringt Schuhe, „frisch geputzt“. Hinter Schrader ragt ein Seecontainer auf. Den hat die Gemeinde mit finanzieller Unterstützung der Sozialbehörde aufgestellt, weil eigene Lagerflächen fehlten. Er ist bis oben hin voll. Daneben eine Tür, die in einen kleineren Container führt. Hier sortieren fünf Ehrenamtliche Jacken, Hosen und Mützen.

Die Kleiderkammer ist eins von mehreren Projekten für Flüchtlinge des „Runden Tisches Niendorf“, in dem sich Akteure aus Parteien, Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen zusammengeschlossen haben.

Eine Welle der Hilfsbereitschaft hat den Stadtteil erfasst

Die evangelische Kirchengemeinde hatte im vergangenen Jahr dazu eingeladen – nach dem bekannt wurde, dass eine Erstunterkunft für rund 350 Flüchtlinge an der Niendorfer Straße entstehen soll. Seitdem hat eine Welle der Hilfsbereitschaft den Stadtteil erfasst.

230 Menschen folgten im November 2014 einem Aufruf zu helfen, die jüngsten 14, die ältesten über 80 Jahre alt, die wenigsten kirchlich engagiert. „Wir für Niendorf“ lautet der Slogan. „Wir haben die Menschen an ihrer Stadtteilehre gepackt“, sagt Pastorin Maren Gottsmann. 47. Ende Februar soll die Erstunterkunft öffnen. Schon jetzt herrsche das Bewusstsein: „Flüchtlinge sind auch Niendorfer.“

Mehr als 40 Anrufe nimmt sie am Tag entgegen

Nina Schrader, die heute in der Kleiderkammer aushilft, koordiniert gemeinsam mit Gottsmann die Arbeit. Sie ist selbst eine Ehrenamtliche: Ihren Job als Reiseverkehrskauffrau hat die Mutter einer kleinen Tochter aufgegeben. Dass sie für ihr Engagement kein Geld bekommt, ist für sie ok: „Ich habe bisher soviel Glück im Leben gehabt. Ich bin froh, wenn ich etwas zurückgeben kann."

Mehr als 40 Anrufe erreichen sie am Tag, ebenso viele Mails. Nina Schrader hilft Menschen, die sich engagieren wollen, ihren Einsatzort zu finden. Der „Runde Tisch“ hat Arbeitsbereiche definiert, ausgehend von dem, was gebraucht wird: Kleidung, Deutschunterricht, Menschen, die im Café helfen. Ein Schülerkurs will Kinder betreuen. Allein 40 Menschen bereiten sich in einer Gruppe darauf vor, Flüchtlinge zu Behörden zu begleiten.

Ein Arzt stellte seinen Keller zur Verfügung

Der „Runde Tisch“ ist mit anderen Initiativen und Gemeinden vernetzt, die sich für Flüchtlinge einsetzen. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden“, sagt Nina Schrader.

Auch die Dienstleiter und Gewerbetreibenden am Stadtteilzentrum Tibarg machen mit. Als der Platz für die Kleidung im Container knapp zu werden drohte, schickte der Zusammenschluss BID Tibarg eine Rundmail über seinen Verteiler. Daraufhin bot ein Kieferorthopäde seinen 500 Quadratmeter großen Keller an. Der ist jetzt das neue Zentrallager der Kleiderkammer.

Pastorin Gottsmann ist überwältigt vom gemeinschaftlichen Engagement der Menschen im Stadtteil, von der Aufbruchsstimmung: „Es ist schön zu sehen, dass einander völlig fremde Menschen Zeit und Energie spenden  und Hand in Hand arbeiten.“

Viele Kirchengemeinden in Hamburg und Umgebung engagieren sich für Flüchtlinge. Auskunft dazu geben:

Hannah Hosseini koordiniert die Freiwilligenarbeit für Flüchtlinge, Tel.: 0176/11 43 20 65 H.Hosseini@Kirche-Hamburg-Ost.de

Paul Steffen, Fachstelle Engagementförderung  im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, Tel. 040/58 95 02 46, paul.steffen@kirchenkreis-hhsh.de

Jörg Ostermann-Ohno, Weitblick – Ökumenearbeitsstelle im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, Tel. 040/58 95 02 47, joerg.ostermann-ohno@kirchenkreis-hhsh.de

 

Vor den Containern stapelt sich die gespendete Kleidung

Sie sortieren Jacken, Hosen und Mützen

Manches findet sich zwischen den Klamotten