Internationaler Frauentag Frau Pastor! Vom langen Weg der Frauen auf die Kanzeln

Will Pastorin werden: Ronja Hallemann, die Autorin der Handreichung zur Frauenordination

Erst seit knapp 40 Jahren sind Pastorinnen ihren männlichen Kollegen rechtlich gleichgestellt - der Weg dahin war lang. Wie Frauen schließlich doch auf der Kanzel ankamen, zeichnet jetzt erstmals eine Studie für Hamburg und die gesamte Nordkirche nach. Ein Gespräch mit der Autorin Ronja Hallemann, 28, zum Internationalen Frauentag

Ilse Hass an St. Nikolai gilt als die erste ordinierte Pastorin in Hamburg. Rechtlich den Männern völlig gleichstellt waren sie und ihre Kolleginnen in der damaligen Hamburgischen Landeskirche aber erst ab 1979. Warum so spät?
Pastorinnen durften zu Beginn noch kein Pfarramt leiten. Es galt die „Zölibatsklausel“, sie mussten unverheiratet sein. Man war der Ansicht, dass eine Pastorin mit Familie der Gemeinde nicht mehr voll und ganz zur Verfügung stünde.

Aus heutiger Sicht unverständlich, da der Beruf ja viel Gestaltungsfreiheit beinhaltet.
Ich betrachte diese Klausel auf dem Hintergrund meiner Studien auch eher als vorgeschobenen Grund. Frauen sollten aus dem Amt ferngehalten werden – es war eine Machtfrage.

Wie begründete man den Ausschluss der Frauen?
Zum einen mit der Schöpfungsgeschichte. Darin heißt es: ,Die Frau sei dem Manne untertan’. Dann mit dem Wort aus dem Korintherbrief, dass die Frau in der Gemeinde schweigen solle. In den meisten christlichen Kirchen weltweit sind Frauen vom Amt ausgeschlossen. Man befürchtete, dass die Kirchen in der Ökumene noch weiter auseinanderdriften würden, wenn man das änderte. Außerdem hielt man Frauen dem Amt für seelisch und körperlich nicht gewachsen.

Dieser Gedanke ist nur noch schwer nachvollziehbar.
Er hat sich bis in die 1980er Jahre gehalten. Ich habe Briefe gefunden, auch aus der kirchenleitenden Ebene, wo ich beim Lesen schlucken musste. Doch man darf nicht vergessen: Kirche ist Teil der Gesellschaft. Bis 1977 galt das Gesetz, dass der Mann entscheidet, ob seine Ehefrau arbeiten darf.

Frauen waren ab 1908 zum Studium zugelassen. Ab 1927 konnten Hamburger Theologinnen nach dem Vikariat als Pfarramtshelferinnen eingestellt werden.
Ihre Aufgaben waren auf die Kinder- und Jugendarbeit beschränkt. Oder sie arbeiteten auf Sonderpfarrstellen in Anstalten, Gefängnissen und Krankenhäusern. Sie durften keine eigene Gemeinde leiten, wurden nicht verbeamtet und schieden mit einer Heirat aus dem Dienst.

Auf Maria Jepsen, die weltweit erste lutherischen Bischöfin, folgte in Hamburg Kirsten Fehrs. Im Kirchenkreis Hamburg-Ost sind vier von sieben Pröpsten Frauen. Man hat den Eindruck, das alles ist kein Thema mehr. Oder trügt der Schein?
Ehrenamtlich engagieren sich überwiegend Frauen. Es gibt sehr viele gute Angebote für Frauen in der Kirche. Aber bundesweit, innerhalb der EKD, ist nur jeder dritte Pastor eine Frau, viele von ihnen arbeiten in Teilzeit.

Woran liegt das?
Ich glaube, Frauen achten mehr auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und treten dann eher im Beruf zurück. Die Rundum-die-Uhr-Verfügbarkeit empfinden sie als belastend. Das verändert sich übrigens auch langsam bei den Männern. Gerade bei den Leitungsämtern ist noch viel Nachholbedarf, man bräuchte Teilzeit-Modelle. Wenn ich mit gleichaltrigen Theologinnen spreche, äußern sich viele in diese Richtung: Leitungsamt – ja, aber im Team.

Haben die Forschungen Ihren Blick auf das Thema verändert?
Es ist viel im Wandel, das ist gut, aber es ist noch Luft nach oben. Für eine Gleichstellung auf allen Ebenen ist noch einiges zu tun und es braucht immer wieder Vorbilder. Da hat meine Generation es gut: Wir haben Pröpstinnen in der Nordkirche und eine Bischöfin

Und wie sieht es bei Ihnen persönlich aus – möchten Sie Pastorin werden?
Auf jeden Fall, ich möchte in die Gemeinde. Deshalb habe ich Theologie studiert. Mein Vater ist auch Pastor und er ist mein Vorbild. Die Eignung für diesen Beruf hängt nicht vom Geschlecht ab, sondern von der Persönlichkeit.

Die Handreichung "Zusammen Wachsen. Wege zur Frauenordination auf dem Gebiet der heutigen Nordkirche" zeichnet die Entwicklung der Frauenordination in den ehemaligen Landeskirchen der 2012 gegründeten Nordkirche nach. Die Broschüre hat 104 Seiten und kann gegen eine Gebühr von 7,50 € bei der Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit der Nordkirche bestellt werden. Weitere Infos 

Das Thema in Zahlen

  • Im Kirchenkreis Hamburg-Ost: 114 von 268, Anteil: 42,5 %

    Im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein: 67 von 137, Anteil: 48,9 %

    Stand: 2014

  • HH-Ost: 4 von 7, Anteil: 57,1 %

    HH-West/Südholstein: keine von drei Stellen ist mit einer Frau besetzt, Anteil 0 %

    Stand 12/2015

  • Der Frauen-Anteil bei den Vikaren liegt seit 2012 über 50 Prozent. Neu im Vikariat in der Nordkirche waren

    2012: 7 Männer, 9 Frauen, Anteil Frauen: 56,3%

    2013: 15 Männer, 17 Frauen, Anteil Frauen: 53,1%

    2014: 11 Männer, 19 Frauen, Anteil Frauen: 63,3%

  • Das schwankt, 2014 wurden mehr Frauen als Männer ordiniert.

    2012: 9 Männer, 11 Frauen

    2013: 14 Männer, 9 Frauen

    2014: 14 Männer, 16 Frauen

  • HH-Ost: 786 von 1.578 Personen insgesamt, Anteil: 49,8%

    HH-West/Südholstein: 335 von 714 insgesamt, Anteil: 46,9%

     

    Stand 2008. Die Zahlen stammen aus der damaligen Nordelbischen Kirche. Die Gemeindekirchenräte in der Nordkirche werden 2016 neu gewählt.

  • HH-Ost: 55 von 154 insgesamt, Anteil: 35,7%

    HH-West/Südholstein: 82 von 207 insgesamt, Anteil: 39,6%

    Stand 2009, damalige Nordelbische Kirche

    Quelle: Landeskirchenamt der Nordkirche, Kiel