„...von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“ Frauen schreiben Reformationsgeschichte


Am 20. Mai hatten wir beim Frauenfrühstück Birgitt Wulff-Pfeifer, Diakonin aus dem Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein zu Gast. Sie referierte über das Thema „Frauen schreiben Reformationsgeschichte“.

Ihr Artikel dazu erschien in der Ausgabe April-Juni 2017 im Gemeindebrief „Vox Jacobi“ der Hauptkirche St. Jacobi Hamburg. Noch vor wenigen Jahren hätten die meisten vermutlich den Kopf darüber geschüttelt. Herkömmlich hat Reformation ein männliches Gesicht. Doch besonders für Frauen hat die Reformation eine nachhaltige Veränderung ihrer Lebensbereiche gebracht, die bis heute ihre Wirkungen zeigen: sei es die Auflösung von Klöstern, die Neuinterpretation der Ehe oder insbesondere das „Priestertum aller Gläubigen“, auf das Frauen sich berufen konnten, um ihre eigene Bibelauslegung oder ihren Einsatz für die Reformation zu rechtfertigen. 

Die Wanderausstellung nimmt Frauen in den Blick, die auf Grundlage ihres christlichen Glaubens durch „reformatorische Impulse“ Kirche und Gesellschaft gestaltet haben. Dank der leidenschaftlichen Recherche-Arbeit in Archiven, Kirchenbüchern und der persönlichen Erinnerung konnten knapp 60 Frauen-Biografien rekonstruiert werden, 18 findet man in der Ausstellung, weitere im Begleitkatalog. Einige Hamburgerinnen haben natürlich auch den Weg in die Ausstellung gefunden. 

Allen voran Amalie Sieveking, die als Wegbegleiterin der modernen Sozialarbeit in Deutschland gilt. Während der Cholera-Epidemie 1831 engagierte sie sich als Krankenpflegerin im Seuchenhospital und gründete später den „Weiblichen Verein für Armen- und Krankenpflege“. 

Besonders durch ihr kirchenpolitisches Engagement in den 1980-90er Jahren im Boykott „Kauft keine Früchte aus Südafrika“ wurde Ada Ehmler bekannt, die das gesellschaftspolitische Anliegen der Ev. Frauenarbeit nachhaltig prägte. 

Ebenso die bekannte Theologin Dorothee Sölle, die den Kampf gegen Armut und Unterdrückung in den Mittelpunkt ihrer Theologie stellte. 

Weniger bekannt sind die Hamburgerinnen Bertha Keyser, auch „Engel von St. Pauli“ genannt, mit ihren Suppenküchen, und Frederike Klünder, die „Schöne vom Berg“, die sich besonders dafür einsetzte, dass die Kinder in armen Fischerfamilien sich impfen ließen und durch kleine Frauenprojekte mit Heimarbeit das Auskommen der Familien gesichert wurde. 

Übrigens ist der Titel dieser Ausstellung „...von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“ einem Zitat aus der Illustrierten „Quick" aus dem Jahre 1959 entnommen. Die Zeitschrift berichtete über die Amtseinführung der ersten Pastorin Deutschlands in Lübeck, Dr. Elisabeth Haseloff, und fragte: Werden sich die deutschen Kirchenmitglieder in naher oder ferner Zukunft daran gewöhnen, dass der Herr Pastor – eine Frau ist? Gott sei Dank ist dies heute in unserer Kirche eine Selbstverständlichkeit, die wir aber mutigen Vorkämpferinnen zu verdanken haben – wie die Ausstellung uns vor Augen führt. 

Diese Frauen haben in den vergangenen 500 Jahren unter Beweis gestellt, dass Kirche sich stets dann erneuert, wenn sie die aktuellen Fragen der Zeit reflektiert und darauf reagiert. Im Grußwort der zu diesem Thema gehörenden Ausstellung schrieb Maria Jepsen, Bischöfin i.R., erste lutherische Bischöfin weltweit und Schirmherrin dieser Ausstellung u.a.:

„Eine vergessene Geschichte wird langsam aufgedeckt. 

Auch wenn viele Biografien und Zeugnisse dieser Frauen ignoriert und zerstört wurden- wie schon in biblischer und kirchengeschichtlicher Zeit vorher- so lassen sich heute doch noch Spuren finden von dem, was Frauen im privaten und öffentlichen Leben bewirkt haben.“ 

Diese Wanderausstellung ist in den nächsten Wochen noch bis zum 5. November im St.-Petri-Dom in Schleswig zu sehen und in Greifswald im Dom St. Nikolai vom 16.9. bis zum 5.11. Den Begleitkatalog zu dieser Ausstellung kann man bestellen unter der Telefonnummer 0431/55 77 91 07 oder bei versand@frauenwerk.nordkirche.de.

Gerhild Krieger-Kopperschmidt