Gottesdienst für gebrochene Herzen „Nichts ist schlimmer als so zu tun, als ob es eine Beziehung nie gegeben hätte“


Der 14. Februar ist der Liebe vorbehalten – oder doch zumindest der romantischen Zweierbeziehung. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es zu den Lebenszielen vieler zu gehören scheint, das große Glück in Form einer Partnerschaft zu finden.

Und wer so einen Status genießen konnte, wer „das große Ziel“ erreicht hat – und es wieder verliert – leidet oft unter Scham und dem Gefühl, versagt zu haben. Für solche Menschen ist der 14. Februar besonders zehrend, setzt er doch unerwünscht vor Augen, was man nicht mehr hat. Genau diesen Menschen möchte Pastorin Inga Millon eine Einladung aussprechen, möchte einen Ort bieten für jene gebrochenen Herzen der Stadt. Und sie möchte das Narrativ der Scham durchbrechen. 

Christian Schierwagen: Frau Millon, ein Gottesdienst für gebrochene Herzen am Valentinstag – das klingt für manche Ohren vielleicht ungewöhnlich. Wie kamen Sie auf die Idee? 

Inga Millon: Ich wollte seit Längerem eine Veranstaltung für Menschen anbieten, die eine Trennung erlebt haben, weil ich der Meinung bin, dass wir in Kirche sehr fokussiert auf funktionierende Beziehungen sind. Aber die Realität zeigt oft, dass das so gar nicht unbedingt immer klappt. 

Ich selbst bin einmal geschieden, wie auch viele in meinem Umfeld, und da kam die Frage bei mir auf: Haben wir als Kirche das eigentlich im Blick? Dabei war mir vor allem der Fokus wichtig, dass man als Mensch allein wertvoll ist, ob mit oder ohne Partner*in, und dass es nicht das große Lebensziel sein sollte, in einer Beziehung zu sein. 

Der 14. Februar ist ein sehr aufgeladenes Datum; es gibt in der Stadt zahlreiche Angebote für Paare, und viele wollen es möglichst schön und romantisch haben. Da ist dieser Gottesdienst für diejenigen, die gerade eine Trennung hinter sich haben oder in einer stecken, genau richtig. 

Schierwagen: Trennungen sind gesellschaftlich oft mit Scham und einem Versagensgefühl verbunden. Wie möchten Sie den Menschen im Gottesdienst begegnen, um ihnen Trost und vielleicht sogar eine neue Perspektive zu vermitteln? 

Millon: Zunächst ist jeder Mensch so gut, wie er oder sie ist. Dabei ist es vollkommen egal, in welcher Familienform oder welchem Beziehungsmodell man lebt oder ob man allein durchs Leben geht. Dieser Wert wird hier gesehen, auch wenn man vielleicht manchmal erst selbst lernen muss, ihn zu sehen und dass man sich auch allein wohlfühlen kann. 

Eine Beziehung, die auseinandergeht, ist nicht automatisch ein Scheitern. Vielmehr kann es auch eine Stärke sein, zu sagen: Das funktioniert mit uns beiden nicht, und wir müssen uns neue Wege suchen. Vor meiner Scheidung stellte ich mir zum Beispiel die Frage: Möchte ich für die nächsten 30 Jahre unglücklich leben, oder möchte ich schauen, was vielleicht noch möglich ist?

Das ist sicherlich keine leichte Frage, geschweige denn der einfachere Weg. Aber es ist vielleicht der Weg, der das Leben in bessere Bahnen lenken kann. Ich möchte davon wegkommen, dass wir denken: „Wir müssen um jeden Preis zusammenbleiben, schließlich haben wir uns das einmal versprochen.“ Dieses Versprechen – „bis dass der Tod uns scheidet“ –, das war sicherlich am Hochzeitstag ernst gemeint, und ich glaube es meinen Paaren auch, wenn sie sich dieses Versprechen geben. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass es aus einer Zeit kommt, in der die meisten Frauen keine 40 wurden. Bis der Tod uns scheidet ist heute deutlich länger als früher – wir haben mehr Zeit, uns zu entwickeln und vielleicht auch zu merken, dass man gar nicht zusammen passt. 

Damit will ich nicht die Ehe als Ganzes unbedingt in Frage stellen. Manchmal funktioniert es aber auch einfach nicht, und manchmal reicht die Liebe so weit nicht. Das ist okay, und das darf auch so sein. Wichtig ist: Wie gehen wir miteinander um? Und vor allem: Wie gehen wir mit uns selbst um? 

Schierwagen: Ihre Einladung richtet sich auch an Menschen, deren Trennung schon lange zurückliegt oder die bereits in einer neuen Beziehung leben. Warum glauben Sie, sind manche Narben so lange spürbar, auch wenn wir im Leben ein neues Kapitel aufschlagen? 

Millon: Wenn uns eine Narbe zugefügt wurde oder wir uns selbst eine zufügen, dann ist sie auch noch Jahre danach auf unserer Haut sichtbar. Im Gottesdienst bieten wir hierzu ein paar Aktionen an, zum Beispiel wird es „Kintsugi“ geben, das ist eine japanische Reparaturmethode, bei der wir zerbrochene Tassen mit einer Goldfarbe wieder zusammensetzen. Dass sie einmal zerbrochen war, das kann man sehen und spüren, wie wir auch unsere Narben – innen wie außen – spüren. Wir werden immer wieder daran erinnert, dass da etwas war, und ich glaube, dass es wichtig ist, so etwas nicht zu verdrängen oder wegzuschieben, sondern als einen Teil des eigenen Lebens zu sehen. 

Nichts ist schlimmer als so zu tun, als ob es eine Beziehung nie gegeben hätte. Auch wenn sie womöglich ein schmerzhaftes Ende fand, ist sie ein Teil von uns, hat uns auch ein stückweit geprägt. Beziehungen, bei denen ich mich heutzutage frage, warum ich überhaupt mit dieser Person zusammen war, haben mich mit zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich habe mehr darüber herausgefunden, wer ich bin und was ich will. 

Schierwagen: Was wünschen Sie sich für die Menschen, die an diesem Abend kommen? Mit welchem Gefühl sollen sie nach Hause gehen? 

Millon: Gesegnet. Von Gott getragen. Das Thema des Gottesdienstes ist ja: Du bist es wert. Ich wünsche ihnen, dass sie etwas hinter sich lassen und neue Gedanken mitnehmen können. Vielleicht auch, dass sie andere Menschen kennenlernen, denen es ähnlich geht, dass sie erleben, dass sie mit ihren Gefühlen nicht allein sind. Vielleicht auch einfach, dass sie eine schöne neue Tasse mit nach Hause nehmen können. 

Ich wünsche ihnen irgendetwas, das bleibt.

“Gottesdienst für gebrochene Herzen”

  • Wann? 14. 02.2025, 19.00 Uhr,
  • Wo? Hermann-Löns-Weg 62, Rellingen