Neonaziaufmarsch in Pinneberg Grußwort der Bischöfin

Liebe Pinnebergerinnen und Pinneberger,

ich grüße Sie alle, die Sie heute an der Demonstration gegen Rechtsradikalismus teilnehmen, und danke Ihnen, dass Sie öffentlich bekunden: dass faschistische und nationalsozialistische Gedanken, Taten und Aktionen bei uns keinen Platz haben dürfen. Die Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges, die Opfer in den Konzentrations- und Arbeitslagern, der Großmachtswahnsinn und die menschenverachtenden Gesetze und Verhaltensweisen, angefangen bei Denuntiationen und Ausgrenzungen bis hin zu Ermordungen, einzelner Menschen, vieler Millionen Kinder, Frauen und Männer, der unsägliche Judenmord. Man sollte meinen: all das hätte, als es herauskam, genügt, ein für alle mal zu beweisen, dass der Nationalsozialismus schlimmstes Verbrechen ist. Dass in Deutschland solche politischen Gedanken nie mehr gesellschaftsfähig sein könnten. Aber nein: das verbrecherische Denken setzt sich mit Worten wie „Überfremdung“ bei uns weiter fort. Man sucht wieder Sündenböcke. Man spielt wieder den starken Mann und tut so, als hätte man selber mehr Rechte, hier zu leben, als andere. Man erfindet sich Gegner. Es ist eine Schande. Das muss unterbunden werden!

 

Als Christen und Christinnen haben wir gerade Pfingsten gefeiert. Es ist das Fest, das an den Tag erinnert, als in Jerusalem Menschen aus den verschiedensten Himmelsrichtungen der Welt zusammenkamen und sich mit einem Mal in ihren Muttersprachen über alle Grenzen hinweg ohne Probleme miteinander verständigen konnten. Die Kluft der fremden Sprachen und der unterschiedlichen Kulturen bestand

nicht mehr. Gott wollte es so. Pfingsten zeigt bis heute, dass wir Menschen viel mehr zusammengehören, als wir zu denken imstande sind. Gott fordert und ermöglicht Miteinander von uns, nicht Gegeneinander. Das gilt für uns in den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen, in den politischen und sozialen Bereichen. Auch nationale Kategorien gelten vor Gott nicht. Er hat die Welt und uns Menschen auf ihr bunt und vielfältig geschaffen. Vor Gott sind alle Menschen gleich, haben das gleiche Recht auf Leben und Dasein. Die Bibel ist voll von Anweisungen, die Fremden, das heißt, die im Lande leben, ohne dort geboren zu sein, zu schützen und zu lieben; Nächstenliebe ist international. Wir haben kein Monopol darauf, aber als Kirche erinnern wir immer neu daran und rufen dazu auf. Aus dem Alten Testament, von den Juden, haben wir diese Mahnung aufgenommen, und wir dürfen nicht noch einmal versagen, wenn Juden bedroht werden, wenn Menschen mit Migrationshintergrund, wenn Andersglaubende und Anderslebende sich bei uns nicht sicher fühlen.

 

Angesichts der alten und neuen Nazis: ich kann manchmal nur noch beten, dass Gott ihnen das Herz umdrehen möge, dass sie von ihren wahnsinnigen Ideen ablassen. Ideen, die schon einmal die ganze Welt ins Unheil gestürzt haben. Nie wieder Krieg – nie wieder Nazis. Dafür stehen wir zusammen ein. Dafür demonstrieren Sie heute.

 

Und ein letztes: lassen Sie uns bekunden, dass wir jeden Ausstiegswilligen aus der

braunen Szene nicht abweisen werden. Wer nicht mehr verbrecherischen Zielen folgen will, muss seine Chancen bekommen, andere und gute. Lassen Sie uns gemeinsam für Demokratie eintreten, bei uns und in Europa und überall auf der Welt!