Appell Hamburger Kirchenkreis fordert Schutz der Roma

Mehrere Familien hatten im September 2015 den Michel besetzt, auch 21 Kinder waren dabei

Hamburg - In einem eindringlichen Appell an das Bundesinnenministerium hat der Kirchenkreisrat Hamburg-Ost den Schutz von Roma in Deutschland gefordert. Es müsse alles Notwendige getan werden, um den Schutz der geflüchteten Roma zu gewähren, heißt es in der Erklärung, die am Freitag in Hamburg veröffentlicht wurde.

Darin wendet sich der Kirchenkreisrat auch an die Verantwortlichen der Hamburger Ausländerbehörde. Abschiebungen im Morgengrauen oder die Infragestellung ärztlicher Bescheinigungen stellten unnötige Härten für die Betroffenen dar, die ohnehin schon extrem belastet seien.

Der Schutz von aus ihrer Heimat geflüchteten Roma in Deutschland solle solange gelten, bis die Roma in ihren Heimatländern als Bürgerinnen und Bürger mit gleichen Rechten anerkannt seien. Der Appell richtet sich auch an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie an die Bundestagsabgeordneten im Gebiet des Kirchenkreises.

Bedrohung für Leib und Leben

Die Verschärfungen des Asylrechts sowie die Einstufung weiterer Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ bedeute für viele Betroffene eine Bedrohung an Leib und Leben. Ihre Menschenrechte würden oftmals verletzt, sie seien rassistischen Übergriffen ausgesetzt und bekämen keinen staatlichen Schutz.

Immer mehr Roma und Sinti wendeten sich auf der Suche nach Hilfe und Schutz an den Kirchenkreis. Die Gemeinden und Einrichtungen kämen derzeit an ihre Grenzen. Sie könnten den Anfragen nicht mehr gerecht werden, auch wenn sie sie für gerechtfertigt hielten. Dies stoße die Betroffenen in spürbare Verzweiflung, Angst und mitunter Panik.

"Wir fordern die politisch Verantwortlichen auf, dass Roma-Flüchtlinge als Antragsteller ohne jede Benachteiligung behandelt werden", so der Kirchenkreisratsvorsitzende, Propst Hans-Jürgen Buhl. Ihre Fluchtgründe müssten vollständig und unvoreingenommen geprüft und die bestehenden asylrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Die gruppenspezifische Verfolgung von Roma dürfe nicht ausgeblendet werden.

Unterstützung für Roma-Familien in kirchlicher Obhut

Das gelte auch für die vom Kirchenkreis in Obhut genommenen Familien. Im September 2015 hatte eine Gruppe von mehreren Familien aus verschiedenen Balkanstaaten kurzzeitig die Hauptkirche St. Michaelis besetzt, um gegen drohende Abschiebungen zu protestieren.

Neun Familien mit 46 Personen, darunter 21 Kindern, befinden sich derzeit noch an verschiedenen Orten in kirchlicher Obhut. Sie werden von der unabhängigen kirchlichen Beratungsstelle „fluchtpunkt“ rechtlich beraten.

Der Kirchenkreis arbeite mit Hochdruck daran, ein vorübergehendes Bleiberecht zu erwirken, sagte Kirchenkreissprecher Wolfgang Främke auf Anfrage. Das Ziel sei, für alle bis Ende April zu einer guten Lösung zu kommen. 

Besondere Verantwortung

Ausdrücklich unterstützt der Kirchenkreis den aktuellen "Aufruf zur Solidarität mit den Sinti und Roma Europas" der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Der Aufruf wurde auch von Amnesty International Deutschland und dem Diakonischen Werk Deutschland unterzeichnet.

In ihm wird weist auf die besondere deutsche Verantwortung hingewiesen: Der Antiziganismus im NS-Deutschland habe zur systematischen Ermordung hunderttausender Sinti und Roma geführt. "Auch dem wissen wir uns verpflichtet, wenn Roma uns heute um Hilfe bitten", so der Appell des Kirchenkreisrates.

Informationsabend zur Situation der Roma
Zeit: Montag, 18. April, 19 Uhr
Ort: Hauptkirche St. Katharinen, Speicherstadt 
Mit: Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von PRO ASYL, Svenja Stadler, SPD-Bundestagsfraktion, Tijana Joksić, Juristin und Menschenrechtsaktivistin