Interview Hexen, Teufel und der liebe Gott

Weltweit 750 religiöse Gemeinschaften verzeichnet die Kartei von Jörg Pegelow

Karneval in Köln, Mainz, Moorrege. Und in Hamburg? Feierflaute. Was der Protestantismus mit dieser Nüchternheit zu tun hat und warum einige fundamentalistische Gruppen Hexenkostüme verteufeln – ein Gespräch mit Jörg Pegelow, dem Beauftragten für Weltanschauungsfragen der Nordkirche.

Herr Pegelow, traditionell ist der Karneval unter evangelischen Christen verpönt. Bereits Luther kritisierte die Ausschweifungen an den Tagen vor der Fastenzeit.
Manchen fundamentalistisch-christlichen Szenen ist das Fest bis heute ein Dorn im Auge. Teufelsmasken oder Hexenkostüme werden zutiefst abgelehnt. Auch Bücher wie „Die kleine Hexe“, „Krabat“ oder „Harry Potter“ sind verpönt, weil durch sie Dämonisches und Magisches ins Leben kommen könnte.

Das klingt wahrhaft schauerlich.
Als Kirche können wir keinen Blumentopf mit moralinsauren Ansagen gewinnen. Das wird dem christlichen Glauben nicht gerecht. Wir glauben an einen Gott, der offensichtlich ein weites Herz hat. Ich würde daher sagen: ,Freut euch am Leben und feiert’.

Wofür steht Fasching?
Der Alltag wird auf den Kopf gestellt. Und das ist ok, wenn man die ernsthafte Seite nicht ausblendet, die sich in der darauf folgenden Passionszeit ausdrückt. Denn auch Irrwege und Stolperfallen gehören zum Leben.

Die christlich-fundamentalistischen Gruppen, mit denen Sie zu tun haben, sehen das anders.
Ja, denn sie sind davon überzeugt, dass die Bibel direkt von Gott kommt. Es gibt für alles nur eine Interpretation. Das führt zu einem radikalen Schwarz-Weiß-Denken: Draußen ist die böse Welt, drinnen ist alles heil und richtig. Soziale Kontakte werden nur noch in der Gemeinschaft gepflegt. Zu mir kommen Partner, Angehörige oder Kollegen, die merken, dass sich ein nahestehender Mensch abschottet.

Wieviele dieser Gemeinschaften gibt es in und um Hamburg?
Etwa ein bis zwei Dutzend, mit jeweils 25 bis 200 Mitgliedern. Charakteristisch ist, dass sie sich um eine Person scharen, die sich als von Gott berufen fühlt. Manche stellen die Heilung in den Vordergrund. Sie sagen: ,Wer glaubt, der kann alle Krankheiten überwinden.’ Wenn jemand nicht gesund wird, legen sie das als göttliche Strafe aus. Das ist nicht nur inhaltlich falsch, sondern auch theologisch unzulässig und unbarmherzig.

Wie schaffen Menschen den Absprung?
Das hängt von vielen Faktoren ab und lässt sich von außen nur sehr schwer beeinflussen. Betroffene müssen anfangen zu zweifeln. Und sie brauchen freundschaftliche Beziehungen, über die sie wieder an ihr früheres Leben anknüpfen können.

Pastor Jörg Pegelow beobachtet die Szene seit nahezu 25 Jahren, zunächst im Kirchenkreis Pinneberg und seit vier Jahren als Weltanschauungsbeauftragter der Nordkirche. Er hat es mit einem globalisierten Markt der religiösen Überzeugungen zu tun. 750 Gemeinschaften weltweit verzeichnet seine Kartei. Als bedenklich stuft er eine religiöse und esoterische Vereinigung dann ein, wenn sie von ihren Mitgliedern erwartet, „den eigenen Verstand abzugeben“.
Kontakt: joerg.pegelow@sektenberatung.nordkirche.de, Tel.: 040/30620-1270