In die Ohnmacht verbannt

Die Hamburger Filmemacherin Dorothea Carl hat zwei Jahre lang an ihrem Film gearbeitet

Hamburg – Fast täglich lesen wir über Menschen, die nach Deutschland flüchten. Doch wie leben sie hier? Welche Geschichten haben sie? Die Hamburger Filmemacherin Dorothea Carl hat sich auf die Suche begeben. In dieser Woche ist ihr Film „persona non data“ im Kino zu sehen. Ein Gespräch über unsichtbare Grenzen und Überlebenskraft.

Sie haben zwei Jahre lang an Ihrem Film gearbeitet, Regie, Kamera, Schnitt selbst gemacht. Was war Ihnen wichtig?

Die Protagonisten erzählen zu lassen. Ich habe ihre Geschichten parallel geschnitten und auf einen allwissenden Kommentator verzichtet. Dadurch entwickelt der Film eine eigene Dramaturgie. Ich wollte den Bannraum spürbar werden lassen, in dem sich die Flüchtlinge bewegen.

Was meinen Sie damit?

Vieles, was ich von den 14 Protagonisten meines Films gehört habe, hätte ich mir vorher nicht vorstellen können: Was es konkret heißt, als junger, leistungsfähiger Mensch nicht arbeiten zu dürfen, keine Wohnung mieten zu können. Die Menschen fühlen sich ohnmächtig, in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt, „verbannt“ in unsichtbare Grenzen.

Wie haben Sie die Menschen für ihren Film gefunden?

Auf verschiedenen Wegen: Eine Mitarbeiterin der Diakonie in Pinneberg, die mit jungen Migranten arbeitet, hat in ihren Gruppen gefragt. Auf einer Tagung habe ich Heide Sanati vom Flüchtlingszentrum Hamburg kennengelernt. Auch drei Lampedusa-Flüchtlinge sind dabei – zwei von ihnen haben erlebt, wie Menschen um sie herum im Meer ertrunken sind.

Wie schwer war es, ihr Vertrauen zu gewinnen?

Die meisten waren erleichtert, dass sie ihre Geschichte erzählen konnten. Dass sich überhaupt jemand dafür interessiert. Einige Protagonisten haben sich gegen die Kamera entschieden, von ihnen hört man die Stimmen aus dem Off.

Was hat sie überrascht?

Was die jüngeren Flüchtlinge betrifft: Wie wichtig es ist, dass sie Ansprechpartner haben. Nach außen geben sie sich taff. Doch wenn man ihnen näher kommt, merkt man, wie sehr sie sich nach zuhause sehnen, nach ihren Müttern. Wenn jemand für sie da ist, gelingt es ihnen leichter, Fuß zu fassen.

Was war Ihre wichtigste Erkenntnis?

Überwältigend war die Einsicht, wie groß die Abwehr gegen diese Menschen ist. Ihnen werden derartige Einschränkungen auferlegt, als wolle man ihnen immer wieder zeigen: Ihr seid hier Menschen zweiter Klasse.

Was meinen Sie damit genau?

Ob es darum geht, dass sie zwei S-Bahn-Haltestellen zu spät aussteigen und damit ihre Residenzpflicht verletzen. Oder ob sie sich alle drei Monate bei Amt melden müssen um ihre Duldung zu verlängern. Die Unterkünfte liegen oft weit draußen, irgendwo zwischen Autobahnausfahrt und Pampa. Das ist wie ein Fingerzeig, nach dem Motto: Du kannst auch ganz schnell wieder weg sein. Der Film zeigt viele Beispiele dieser vollkommen verrückten Anordnung.

Was wollen Sie mit „persona non data“ erreichen?

Was die Flüchtlinge hinter sich haben, ist für uns teilweise unvorstellbar. Wir sollten ihnen das zukommen lassen, was sie brauchen, um sich bei uns wohlzufühlen und hier anzukommen.

„persona non data“  von Dorothea Carl, Deutschland 2014, 82 Minuten, gefördert von der Filmförderung Hamburg Schleswig Holstein

Zeit: Mittwoch, 2. Juli, 19 Uhr und Freitag, 4. Juli 17 Uhr
Ort: Metropolis Kino, Kleine Theaterstraße 10, City

Nach der Vorführung am Mittwoch ist Gelegenheit zum Gespräch mit der Regisseurin und Protagonisten.