Libysche Wanderarbeiter und Bleiberecht Kampf um humanitäre Hilfe bundesweit

Nach Angaben der seit Monaten für Aufsehen sorgenden Flüchtlingsgruppe "Lampedusa in Hamburg" sind 6.000 von ihnen wegen überfüllter Lager und schlechter Lebensbedingungen nach Deutschland weitergereist. Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, erscheint die Zahl sehr hoch. Es sei nicht immer leicht, die einzelnen Gruppen voneinander abzugrenzen. An den Protestorten, etwa am Oranienplatz in Berlin, gebe es Menschen mit völlig unterschiedlichen Fluchtgeschichten.

 

Berlin, Bonn, Frankfurt

 

Die Grünen-Politikerin Canan Bayram geht von 120 bis 150 "Lampedusa-Flüchtlingen" aus, die in Berlin leben und nur mit Essensspenden versorgt werden. Sie fordert den Senat auf, den über Italien eingereisten Personen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren: Wenn der politische Wille da sei, dann stehe ihm das Gesetz nicht entgegen, weil es genügend rechtliche Spielräume gebe, betont die Grünen-Politikerin.

 

Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates in Nordrhein-Westfalen, berichtet, dass viele Menschen kommen, die schon in Italien ein Asylverfahren durchlaufen und hier keinerlei Anspruch auf Sozialleistungen haben. Denn: Nach dem Dublin-II-Verfahren besteht ein solcher Anspruch nur in dem Staat, in dem sie ihren Asylantrag gestellt haben.

 

Auch in Frankfurt leben Flüchtlinge in ähnlicher Lage. 22 von ihnen haben jetzt in einer Kirchengemeinde Obdach gefunden. Die jungen Männer aus verschiedenen afrikanischen Ländern sind über Lampedusa nach Deutschland gereist und haben zuletzt unter der Frankfurter Untermainbrücke übernachtet.

 

Angst vor Abschiebung

 

In Hamburg sind einige der obdachlosen "Lampedusa-Flüchtlinge" seit mehr als fünf Monaten in Kirchen, Moscheen und bei Privatpersonen untergekommen. Sie fordern ein Bleiberecht aus humanitären Gründen. "Wir stellen keine Asylanträge, weil wir das Prozedere bereits in Italien durchlaufen haben". Ein erneutes Verfahren sei nicht nur unnötig, sondern mache auch rechtlich gesehen keinen Sinn. Viele zögerten, ihre Identität bei den Behörden anzugeben, weil es kein Signal für eine sichere Lösung gebe: "Wir haben Angst davor, dass die europäische Politik unser Leben ein weiteres Mal zerstört."

 

Der Hamburger SPD-Senat will die Männer nach Italien abschieben, weil er unterstellt, dass die drei Monate gültigen Reise-Visa abgelaufen sind. Das nachzuweisen ist jedoch schwierig, weil es innerhalb der EU keine regulären Kontrollen gibt, die Grenzübertritte dokumentieren.

 

Neue Diskussionen um europäisches Flüchtlingsrecht

 

Dieser Kurs befeuert die Debatten über den Umgang mit Flüchtlingen und das Dublin-II-Verfahren. Unterstützer fordern vom Hamburger Senat, rechtliche und politische Spielräume für die Kriegsflüchtlinge zu nutzen, etwa über eine Gruppenanerkennung nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes. Danach kann bestimmten Gruppen aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen das Bleiben gestattet werden. Diese Menschen können dann ohne Wartefrist arbeiten und benötigen keine Zustimmung der Arbeitsagentur.