Abschied Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Schatzsucher, Beweger, Seelsorger: Gunnar Urbach

Er hat Kirchtürme verhüllen lassen. Und Zehn-Mark-Scheine an Gottesdienstbesucher verteilt: Spektakulär waren seine Aktionen und wirkungsvoll. Fundraising-Pionier Pastor Gunnar Urbach, 65, aus Norderstedt geht in den Ruhestand – um weiterzumachen

Er zündete ein Feuerwerk an Initiativen, nicht nur an der Falkenbergkirche in Norderstedt, wo er 33 Jahre lang Pastor war. „Fundraising heißt: Schätze heben“, sagt Gunnar Urbach.

2012 wurde er offiziell Schatzsucher für den Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. Für den Neubau des Frauenhauses in Norderstedt warb er unter anderem mit einem Modell aus Legosteinen. Für das Projekt wurde er 2016 mit dem Fundraising-Preis der Nordkirche ausgezeichnet.

„Pastor mit Leib und Seele“ nannte ihn Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs. Denn da ist noch die seelsorgerliche Seite. Wenn Urbach nicht ans Telefon geht, ist er als Beauftragter für die Feuerwehr- und Notfallseelsorge in den Kreisen Segeberg und Pinneberg unterwegs. Am Sonntag, den 8. Januar, wird er in der Thomaskirche in Norderstedt offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Der Gottesdienst beginnt um 10 Uhr.

Gunnar Urbach im Interview

  • Die Verhüllung der acht kleinen und großen Norderstedter Kirchtürme in der Nacht zum Reformationstag 1999. Damals erlebten wir die erste große Rezession bei den Steuereinnahmen. Wir wollten zeigen, wie unsere Stadt ohne Kirchen aussieht. Ein Raumausstatter unterstützte die Aktion. Zehn Tage lang nähten die Mitarbeiter in einer Turnhalle die bis zu 30 Meter langen Überzüge aus brandfestem weißen Nessel. Rund 100 Ehrenamtliche waren in jener Nacht mit der Feuerwehr Harksheide im Einsatz. Wenn man überlegt, wie lange Christo 1995 für die Verhüllung des Reichstags brauchte, waren wir richtig fix.

  • Das stimmt. Wir brauchten Geld, um den Turm der Falkenbergkirche zu erhalten. Auf der Suche nach einer zündenden Idee kam ich auf ein Gleichnis aus dem Matthäus-Evangelium. Dessen Botschaft ist, mit seinen Talenten zu wuchern. Ich nahm die Bibel mit Rückendeckung des Kirchenvorstands wörtlich. Nach dem Pfingstgottesdienst 1989 verteilten wir 250 Zehn-Mark-Scheine und forderten die Besucher auf, sie bis Erntedank zu mehren. 35.000 Mark kamen auf diese Weise für den Turm zusammen! Ich schrammte allerdings knapp an einem Disziplinarverfahren vorbei. Der Vorwurf: Veruntreuung von Geldern.

  • Das neue Frauenhaus in Norderstedt, das 2015 eingeweiht wurde. Träger ist das Diakonische Werk des Kirchenkreises. Gebraucht wurden Eigenmittel von 100.000 Euro, am Ende kamen 140.000 Euro zusammen. Das hat ein Projekt von zwei Million Euro ermöglicht. Ein weiteres wichtiges Projekt war das „Himmelszelt“, eine Kirche auf der Landesgartenschau 2012 in Norderstedt. Sechs Monate lang haben wir darin täglich Programm geboten.

  • Fundraising hilft, die kirchliche und diakonische Arbeit abzusichern. Die Kirchensteuereinnahmen werden wegen des demografischen Wandels langfristig nicht reichen. Es geht nicht nur darum, Geld zu sammeln. Sondern auch darum, Menschen zu gewinnen, die Zeit spenden möchten oder Dinge. Fundraising heißt Schätze heben. Eine Gemeinde sollte zeigen, wofür sie steht. Damit die Menschen wissen, wofür sie ihre Ressourcen einsetzen.

  • An Ruhestand mag ich nicht denken. Ich habe gerade einen Dienstauftrag für drei weitere Jahre vom Kirchenkreis bekommen – im Fundraising wie in der Notfallseelsorge. Zeit für Projekte wie den Therapiehof Toppenstedt der Diakonie oder die JobApp für Geflüchtete. Und dafür, das Feld für einen Nachfolger zu bestellen.

Das "Himmelszelt" auf der Landesgartenschau in Norderstedt 2011

Verhüllter Kirchturm