Kirche in Hamburg Nachfolger gesucht!

Start ins Berufsleben – Ann-Katrin Brenke (4. v. li.) und ihre Kolleginnen nach der Ordination mit Bischöfin Kirsten Fehrs im Februar

Mehr als 40 Prozent der Hamburger Pastoren gehen in den nächsten zehn Jahren in Pension. Lesen Sie, wie die Kirche auf den Wandel reagiert – und was den Beruf heute attraktiv macht

Ann-Kathrin Brenke (34) wollte ursprünglich nicht Pastorin werden. „Ich habe Theologie studiert, weil ich mich für existentielle Fragen interessierte“, sagt sie. Doch dann kam es anders: Seit sechs Wochen arbeitet sie an der Simeonkirche in Bramfeld.

Sie erinnert sich noch genau an den Moment, als sich ihre Haltung änderte. Nach den Anschlägen von Paris im November 2015 war das: „Mir wurde damals noch einmal bewusst, wie wichtig Kirche für die Gesellschaft ist“, sagt sie. „Ich möchte daran mitwirken, unsere Botschaft nach außen zu tragen.“

Die beiden großen Kirchen haben Nachwuchssorgen. Wegen des demografischen Wandels werden nicht nur Ärzte und Handwerker fehlen, sondern auch Priester und Pastoren. In den nächsten zehn Jahren gehen mehr als 40 Prozent der rund 400 evangelischen Pastorinnen in Hamburg und Umgebung in den Ruhestand.

Nicht jede Stelle kann wiederbesetzt werden. „Wir werden 2030 voraussichtlich ein Drittel weniger Pastoren haben“, sagt Remmer Koch, Pressesprecher des Kirchenkreises Hamburg-Ost.

Schon seit längerem erarbeiten die Personalentwickler des  Kirchenkreises Lösungen. Geprüft wird etwa, wie Pastoren von Verwaltungsarbeit entlastet und Aufgaben in den Regionen sinnvoll aufgeteilt werden können.

Werben um Nachwuchs

Unterstützung beim Werben um Nachwuchs bekommen die Hamburger Kirchenkreise von Pastorin Christiane des Vos. Seit fünfeinhalb Jahren ist sie für die Nachfolger in der Nordkirche zuständig. „Wir brauchen Leute mit einem weiten Horizont, die den Wandel theologisch reflektiert mitgestalten“, sagt sie.

Sie wirbt vor allem bei Multiplikatoren in der Jugendarbeit und an den Universitäten. Einmal im Jahr bietet sie ein „Wegweiser“-Seminar für alle an, die sich für Theologie interessieren.

In ihren Gesprächen mit Studierenden spielen Themen wie Teamarbeit und die Vereinbarkeit mit der Familie eine immer größere Rolle. Denn der Beruf wird weiblicher: In den vergangenen zwölf Jahren wurden im Sprengel Hamburg und Lübeck 142 Pastoren ordiniert, etwas mehr als die Hälfte davon Frauen.

Theologie als Studienfach nach wie vor beliebt

Die Nordkirche hat bereits einige Weichen gestellt, um den erwarteten Nachwuchsmangel abzufedern. So können sich etwa studierte Theologen, die in anderen Berufen tätig sind, begleitend zum „Pastor im Ehrenamt“ ausbilden lassen. 2015 wurde zudem die Zahl der Vikariatsplätze erhöht: 40 Pastorinnen und Pastoren können jetzt jährlich in eine Gemeinde gehen.

Das Fach Theologie ist nach wie vor beliebt. Christiane de Vos hat die Zahlen des geburtenstärksten Jahrgangs 1964 mit dem von 1994 verglichen: „Der Anteil der Theologiestudenten ist gleich geblieben“, weiß sie.

Verändert habe sich aber der Blick auf den Beruf: der Pastor als Tausendsassa – „viele wollen diese Last nicht mehr tragen“, sagt de Vos. Und auch die Residenzpflicht wird zunehmend kritisch gesehen.

Ann-Katrin Brenke achtet darauf, Privates und Berufliches zu trennen. Sie hält den Anspruch, möglichst ständig verfügbar zu sein, für gefährlich: „Der Beruf ist sehr schön. Aber er kann nicht die einzige Ressource sein, aus der ich Kraft ziehe.“