Reportage aus den Gemeinden Nacht der Kirchen von Nienstedten bis Hamm

Gleich beim Reinkommen bekamen die Besucher in der Alsterdorfer Martin-Luther-Kirche zusammen mit dem Liedzettel ein wichtiges Utensil für den Gottesdienst in die Hand: das deutsche Fingeralphabet, die Grundlage der Gebärdensprache. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen hatten, ob gehörlos oder nicht, während des Gottesdienstes zahlreich Gelegenheit dazu, Buchstaben oder Bilder zu gebärden. „Mit den Händen singen“ war das Motto, und die Gemeindepastorin Iris Schuh-Bode und Gehörlosenseelsorgerin Systa Ehm setzten es gemeinsam sehr zugewandt und integrativ um, indem vom A zum O stets gesprochen bzw. gesungen und gleichzeitig gebärdet wurde. So konnten stets alle mitmachen.

 

Schmetterlingstanz

In der Dreifaltigkeitskirche in Hamm erwartete die Gäste eine Tanzperformance. Geradezu prädestiniert war die Dreifaltigkeitskirche in Hamm für das diesjährige Motto der Nacht der Kirchen, ist sie doch architektonisch wie ein Alpha (der Kirchturm) und ein Omega (das Kirchenschiff) gebaut. Diese ungewöhnliche Form der Kirche wurde in blauem und gelbem Licht angestrahlt. Bei der Tanzperformance von Namoo Kim spielte ebenfalls das Licht eine atmosphärisch tragende Rolle. Im blauen Spotlight tanzte die Koreanerin einen Schmetterlingstanz. Zu elektronischen Klängen bewegte sie sich unter einem weißen Gewand, die Arme als Flügel verlängert, anmutig durch den Kirchenraum.


Die Gemeinde St. Johannis-Harvestehude hatte zu einer "Space Night" eingeladen. Vorgesehen war eine Filmnacht zu später Stunde: Viertel nach elf. Organist Christopher Bender eröffnete bei der Begrüßung den Gästen, dass sowohl die angekündigte Lesung als auch das DJ-Set auf Grund von plötzlicher Erkrankung ausfallen müssen. So gibt es, etwas reduziert, nur Film und Orgelmusik. Bilder aus dem All, lange Sequenzen mit startenden Raumschiffen oder Ansichten der Erde aus dem Weltraum, kombiniert mit sehr gut abgestimmtem, modernem Orgelspiel nehmen die Besucher mit in andere Sphären. „Der Mond ist aufgegangen“ in der Chill-out-Version - der Ausklang in die Nacht.

 

Spende mit Cranach-Bildern

In der Kirche Nienstedten begann die Nacht der Kirchen mit einer Sensation. Vor dreihundert Gästen sagte Pastorin Vera Lindemann: „A und O, das Leitmotiv dieser Nacht, spricht vom Anfang und Ende unseres Lebensweges. Wir haben unter uns zwei Christen, die genau 450 Jahre lang auf einem weiten Weg waren. Jetzt sind sie in der Nienstedtener Kirche angekommen und bleiben hier.“ Die Rede ist von Martin Luther und Philipp Melanchthon, zwei Reformatoren, gemalt von Lucas Cranach im Jahr 1562. Die Kunstwerke sind nach langer Wanderschaft in Nienstedten angekommen, der Kirche gespendet und wurden nun erstmals dem Publikum präsentiert. Die Porträts der Theologen gehören zu den besten Arbeiten ihrer Zeit.

 

Die 261 Jahre alte Nienstedtener Kirche war festlich herausgeputzt: Im Innern der barocken Dame aus Backstein und Fachwerk klatschte der Gospelchor Nienstedten rhythmisch zu dem Song: „You are Alpha and Omega“ und die Besucher setzten behutsam schwimmende Lichter der Hoffnung in ein großes Bassin. Über ihnen an der Decke drehten sich hunderte Lichter in einem Sternenmeer und draußen hatte die Kirche ihr Fachwerk in blutrotes, tanzendes Licht getaucht.

 

Auf der Spur von den Gebrüdern Grimm

Wie jedes Jahr ist die Christ-König-Kirche in Lokstedt Literaturkirche. Um 21 Uhr hatte Peter Prange bereits seinen neuen Roman „Der Kinderpapst“ vorgestellt und der Märchenforscher Heinz Rölleke aus seinem Buch „Es war einmal...“ gelesen. Er hat herausgefunden, dass Märchen, auch die Grimmschen Volksmärchen, tatsächlich auf sehr viele unterschiedliche Erzähler zurückgehen und dass es sich lohnt, sie kennenzulernen. Nach Wein und angeregtem Gespräch führt Comiczeichner Christian Moser durch Karl Mays Leben. Die Comics auf einer großen Leinwand lassen einen staunen: Bis zum vierten Lebensjahr blind, hatte Karl May sich später als Lehrer, Trickbetrüger und Hochstapler versucht und viele Jahre im Gefängnis verbracht. Ein spannender Blick auf einen höchst ungewöhnlichen Menschen. Ausklang mit Chopin, gespielt von Pianist Michael Schmult.

 

In der Kulturkirche St. Johannis Altona erklingt um 22.30 Uhr das Abschlusskonzert des Projektes Bach und Händel zum Mitsingen. Streichorchester und stimmgewaltiger Chor spielen und singen die gerade einstudierte Bach-Kantate „Jesu bleibet meine Freude“ und das Halleluja aus Händels Messias, dirigiert von Fernando Swiech. Auch hier gibt es Häppchen und Wein, von einem Caterer ausgeschenkt. Und noch eine Stunde Musik zum Entspannen: Bis Mitternacht füllt die Big Band „The Groovin’ Hartmanns“ die Kirche mit Swing und Jazz. Das Publikum freut sich am coolen Groove der Band und versteht deren Motto: „Heilig’s Blechle“!