Corona-Pandemie "Nicht alle Menschen erreichen wir digital"

"Lichter der Hoffnung" schaffen Verbundenheit in schweren Zeiten

Zahlreiche Kirchen und diakonische Einrichtungen in Hamburg bieten in der aktuellen Coronakrise digitale Alternativen zu ihren üblichen Angeboten. Doch damit erreichen sie längst nicht alle. Oft sind ältere Menschen nicht ans Internet angebunden, aber auch Jüngere brauchen in diesen schweren Zeiten den Kontakt von Mensch zu Mensch.

Wenn Gottesdienste nicht mehr stattfinden und das Gemeindeleben praktisch zum Erliegen kommt, muss man kreativ werden. Andreas Petersen, Pastor der Kirchengemeinde Haselau, und seine Kolleginnen in der Region zögerten nicht lange als ihnen von einem professionellen Kameramann angeboten wurde, Videos ihrer Gottesdienste für die Website zu machen. Gleichzeitig verstärkte er die Kommunikation über Facebook und den digitalen Gemeindenewsletter. Dennoch war ihm auch klar, dass er seine älteren Mitglieder nicht aus dem Blick verlieren durfte. „Nicht alle erreichen wir digital“, sagt Petersen. „Menschen haben auch einen Bedarf an Begegnungen – und das fehlt zurzeit sehr.“

Das Miteinander fehlt

Seit fünf Wochen erstellt der Pastor die „Sonntag aktuell“, eine Art Gottesdienst für Zuhause. Die vier gedruckten Seiten mit Grußwort, Bibeltext, Impuls und einem Gebet bringt er seinen Mitgliedern persönlich vorbei. „So ergibt sich auch immer mal wieder ein Gespräch übern Gartenzaun – mit ausreichend Abstand natürlich“, berichtet Petersen. Darüber hinaus telefoniert er regelmäßig mit seinen Mitgliedern und hat dabei ein offenes Ohr für ihre Nöte. „Die Coronakrise betrifft ja nicht nur das kirchliche Leben, sondern auch das allgemeine Leben und das Miteinander.“

Das bekommt auch die Telefon-Seelsorge mit. „Viele sehnen sich nach einem guten Kontakt von Mensch zu Mensch“, sagt Pastorin Babette Glöckner. Gerade auch jüngere Menschen rufen in diesen Tagen durch. „Plötzlich sind sie ausgebremst, müssen alle Aktivitäten zurückfahren und sind mit sich allein.“ Sie erfährt, wie Menschen, die bisher gut durchs Leben gekommen sind, zunehmend unter den Kontaktverlusten leiden. Die Coronakrise verstärke manche Probleme, die bisher gar nicht als solche wahrgenommen wurden. „Da kommen quälende Gedanken hoch und es werden existentielle Fragen gestellt.“

Wertschätzendes Zuhören

Glöckner schätzt, dass rund 50 Prozent mehr Anrufe als zu normalen Zeiten bei der Telefon-Seelsorge eingehen. „Wir sind deutlich besser besetzt als sonst“, sagt sie. „Dennoch müssen wir die Anrufenden auch um Geduld bitten.“ Im seelsorgerlichen Gespräch gehe es nicht darum, Lösungen und Antworten parat zu haben. Vielmehr zeige man den Anrufenden Wertschätzung, indem man sich für sie Zeit nehme und versuche, sie zu verstehen. „Das kann schon der erste Schritt zur Besserung sein.“

Kerze im Fenster

Solange die verordnete Kontaktsperre anhält, will Petersen sich mit seiner Kirchengemeinde weiter an der Aktion „Licht der Hoffnung“ beteiligen. Jeden Tag um 19 Uhr kann man eine Kerze ans Fenster stellen und dabei das Vaterunser sprechen. Mittwochs wird zudem die Osterkerze in der Kirche angezündet, begleitet von einem Gebet und dem Läuten der Glocken. Immer wieder berichten Mitglieder dem Pastor, dass sie mitmachen. „So können wir miteinander verbunden sein, auch ohne uns zu sehen.“