Chorwettstreit Plattdeutsch trifft Gälisch

Auf dem Land zuhause, aber nicht provinziell - die Kantorei Haselau

Ein kleines Dorf in der Haseldorfer Marsch will es wissen. Die 25 Sänger der Haselauer Kantorei treten in dieser Woche gegen 1200 Chorsänger beim Wettbewerb für gälische Kultur in Oban, Schottland, an. Wie es dazu kam? Chorleiter und Organist Michael Horn-Antoni erzählt

Die Volksweise hat er arrangiert wie einen Bach-Satz. Jede Stimme steht für sich. Erst am Schluss erkennt man die schottische Melodie. Michael Horn-Antoni, 67, liebt musikalischen Überraschungen. Nicht nur bei seinen Orgel-Improvisationen im Sonntagsgottesdienst.

Seit 30 Jahren ist Horn-Antoni Kirchenmusiker in der Heiligen Dreikönigskirche in Haselau. 1992 gründete er die Kantorei. Rund 25 Sänger kommen jeden Montag zu den Proben. Der jüngste ist 19, die älteste 81 Jahre alt. „Eine Ehe ist schwierig. Einen Chor zusammenzuhalten noch schwieriger“, sagt Horn-Antoni schmunzelnd.

Sie singen Bach und Beatles, Mozart und Gospels. Mehr als 100 Stücke hat der Chor im Repertoire, in 20 Sprachen. „Warum nicht auch noch Gälisch?“, hat sich Horn-Antoni gefragt.

Zwei Songs auf Gälisch sind Pflicht

Am kommenden Mittwoch bricht der Chor nach Schottland auf. Ein Sänger, der regelmäßig in Oban Urlaub macht, hatte die Teilnahme an dem Wettbewerb vorgeschlagen. Durch Konzerte haben sie die Reisekosten weitgehend eingespielt.

Zwei Songs sind bei dem Wettbewerb Pflicht. Wie die Texte ausgesprochen werden, hörten die Sänger auf You Tube nach und notierten sie in Lautschrift.

Doch nur für zwei Lieder nach Oban zu reisen, war Horn-Antoni zu wenig. Im Internet entdeckte er auf der spärlich besiedelten Insel Easdale eine Konzerthalle, die sich mit Grasdach und geschwungenen Holzgiebeln malerisch in die Landschaft schmiegt. Dort werden sie ein weiteres Konzert geben – und auch plattdeutsche Lieder singen.

Dass der Chor sein schottisches Publikum überzeugen wird, ist Horn-Antoni sicher. Erst jüngst traten sie in einer katholischen Kirche auf. „Zu Beginn war das Publikum sehr reserviert. Am Ende mussten wir vier Zugaben singen und bekamen stehenden Applaus“, erzählt er.

Als Kind entdeckte er die Orgel für sich

Der Musiker wächst in Mettmann bei Düsseldorf auf. Im Alter von sieben Jahren beginnt er mit dem Klavierunterricht. Sonntags geht die Familie zur Kirche. Manchmal darf er nach dem Gottesdienst auf der Orgelbank sitzen, seine Füße baumeln in der Luft. Der Wunsch wächst Orgel zu lernen: „Der Kantor war mein Held“.

Mit 13 Jahren hört er das erste Mal einen Organisten auf der Orgel improvisieren. Auch das öffnet ihm eine neue Welt, ebenso wie die Musik der Beatles, die ihn zu seiner Sammelleidenschaft von Noten, Büchern und Aufnahmen inspiriert. Erst jüngst spielte er bei der Eröffnung der John-Lennon-Ausstellung im Barlach-Haus in Wedel.

Nach dem Lehramtsstudium in Fulda und Lübeck mit Schwerpunkt Orgel kommt er 1985 als Lehrer ans Gymnasium Pinneberg. Er baut vier Chöre und eine Gospel-AG auf. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013 wird er dort unterrichten.

2002 bekommt die Dreikönigskirche eine neue Orgel. Dafür hat Horn-Antoni eng mit dem Orgelbauer Christian Lobback zusammengearbeitet. Mit ihr kann er auch elektronisch erzeugte Klänge abrufen, etwa Vogelstimmen. Als sich eine Schwalbe in der Kirche verirrt hat, spielt er im Gottesdienst zu ihrem Gesang ein Duett.

Er ist der "Geschmacksmeister"

Er weiß genau, was gut ist. Die Beatles, natürlich, die er für ihre Präsenz und die komplexe Struktur ihrer Songs liebt, die Beach Boys, die Kinks, der Jazz-Gitarrist Pat Metheny. Die Rolling Stones? „Banal“.

Auch für seinen Chor sei er der „Geschmacksmeister“, sagt Horn-Antoni.  Wer Stücke zum Singen vorschlägt, muss manchmal lange dafür werben, dass sie auch aufgeführt werden. Viele Chorsätze schreibt er selbst.

Nach dem Wettbewerb in Oban werden sie Richtung Süden fahren. 17 Kilometer liegt die kleine Insel Easdale vor der schottischen Küste. Nur wenige Menschen leben dort. Für 19.45 Uhr ist das Konzert angekündigt. Es wird bis „kurz vor Fähre“ um  21 Uhr gehen, wie es auf der Internetseite heißt.

Doch was machen sie, wenn die Zuhörer wieder nicht genug kriegen? Sie werden einfach so mitreißend sein, dass alle zu spät kommen und die Fähre warten muss. Im Notfall legt der Busfahrer des Chors beim Kapitän ein gutes Wort ein. Horn-Antoni hat schon herausgefunden, dass man sich kennt. Das ist auf einem schottischen Eiland nicht anders als in einem Dorf in der Marsch.

Michael Horn-Antoni an der Orgel der Dreikönigskirche in Haselau