Reich beschenkt

Ernten und teilen - voller Dankbarkeit für das, was wächst und gedeiht

Wenn wir dankbar sind …

…dann hat das einen Grund. Dankbarkeit ist nicht das Resultat meiner eigenen Leistung. Wenn ich etwas geleistet habe, bin ich stolz. Dankbar bin ich, wenn ich etwas bekomme, für das ich nichts geleistet habe oder wenigstens nicht alles. Dankbarkeit ist die kleine Schwester der Unverfügbarkeit.

Die Bauern arbeiteten und arbeiten hart. Aber ob genug Regen fällt oder zu wenig, liegt nicht an ihnen. Erntedank ist ein Ausdruck der Freude über das Unverfügbare, das es gut mit uns gemeint hat.

Immer weniger Menschen in Deutschland sind an landwirtschaftlichen Produktionsprozessen beteiligt. Ob in der Stadt oder auf dem Land. Die Kürbisse für den Erntedankschmuck in der Kirche kaufen wir im Supermarkt. Dort, wo wir auch Dosentomaten und Tiefkühlpizza ernten. Es gibt einen Hang zur Folklore und dann droht die Tiefe eines Festes verloren zu gehen.

Wir haben in der Rathauspassage zum Ende der Fairen Woche ein großes gemeinsames Essen organisiert. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch alle Gäste der Rathauspassage waren an einen Tisch geladen. Das war ungewöhnlich. Überraschend saßen Menschen zusammen, die sich nicht kannten und aßen miteinander. Ungeplant und unverfügbar kam es zu Begegnungen mitten am Tag.

Ernte ist etwas, was mir in den Schoß fällt, (fast) ohne mein Zutun.

Wenn wir nicht säen, werden wir nicht ernten. Wenn ich nicht aus dem Haus gehe, werde ich niemandem begegnen, wenn ich mich nicht zu anderen an den Tisch setze, werde ich alleine essen.

Wenn ich aber dem Unverfügbaren Raum gebe in meinem Leben, dann kann ich Vieles ernten, oft auch ganz überraschend. Dafür dürfen wir danken.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Erntedankfest.

 Nils Petersen, Pastor der Hamburger Rathauspassage