Renke Brahms: "Frieden entsteht niemals mit Waffen"

Auch ein Zuwanderungsgesetz könnte dem Frieden dienen, meint Renke Brahms

Renke Brahms ist Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Am diesem Sonntag „Judica“ predigt er in der Hauptkirche St. Nikolai. Warum Furcht Frieden verhindert, sagte er uns im Interview

Herr Brahms, die Sehnsucht nach Frieden in der Welt ist groß. Brauchen wir eine neue Friedensbewegung?
Ich sehe viele Menschen, die sich für den Frieden einsetzen. In Initiativen wie Aktion Sühnezeichen, aber auch bei „Pulse of Europe“, wo sich bundesweit Menschen in mehr als 40 Städten auf den Marktplätzen treffen und für die europäische Idee eintreten. Oder bei den Demos gegen TTIP. Es ist aber nicht mehr die eine große Massenbewegung wie 1981 bei der Friedensdemo im Bonner Hofgarten – dafür ist die Welt zu komplex geworden.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ – passt dieses Motto der 80er heute noch?
Die Botschaft ist heute aktueller denn je. Es herrscht eine große Ernüchterung darüber, was militärische Einsätze bewirken – auch unter Verantwortlichen in Bundeswehr und NATO. Der Irakkrieg 2003 hat sich verheerend ausgewirkt. Auch der langfristige Einsatz in Afghanistan führte nicht zum erhofften Erfolg. Das Militär kann allerhöchstens den Raum für den zivilen Aufbau schaffen. Frieden entsteht niemals mit Waffen.

Warum sind Sie so sicher?
Wer Waffen einsetzt, riskiert eine Eskalation der Lage. Die Zivilbevölkerung leidet unermesslich, das sehen wir in Syrien. Die Rebellen bekommen neuen Zulauf. Was wir viel eher brauchen, sind vielfältige zivile Maßnahmen.

Deutschland ist eine der weltweit führenden Nationen bei den Waffenexporten – der Hamburger Hafen ist einer der größten Umschlagplätze für Rüstungsgüter.
Vor allem Kleinwaffen werden in großem Stil aus Deutschland exportiert. Sie sind die Massenvernichtungsmittel unserer Tage. Wir brauchen eine striktere Regelung, um die Exporte zu reduzieren.

Die Bundesregierung plant, den Wehretat aufzustocken. Was denken Sie darüber?
Der Wehretat soll auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gesteigert werden. Das wäre im Vergleich zu 2016 nahezu eine Verdoppelung. Das ist der falsche Weg.

Warum?
Es geht um ein politisches Aufrüsten. Doch wer bedroht uns? Zusammengerechnet haben alle europäischen Länder einen Wehretat von rund 220 Milliarden Euro. Russland etwa gibt etwas mehr als ein Drittel dieser Summe für seine Armee aus. Skandalös finde ich diese Forderung auch vor dem Hintergrund, dass Deutschland noch nicht einmal das selbstgesteckte Ziel erreicht, 0,7 Prozent des BIP in die Entwicklungshilfe zu investieren.

Gerechtigkeit und Friede – so lautet das Motto des Sonntag Judica in diesem Jahr. Wie hängt beides zusammen?
,Friede ist ein Prozess zunehmender Gerechtigkeit und abnehmender Gewalt', so heißt es in der EKD-Friedensdenkschrift. Konflikte entstehen heute nicht zwischen, sondern in Ländern. Es geht um eine gerechte Verteilung von Ressourcen und um Teilhabe. Die Unterscheidung zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen ist daher aus meiner Sicht obsolet. Es gab in Europa schon immer enorme Wanderungsbewegungen. Wir brauchen endlich ein echtes Zuwanderungsgesetz.

Worüber werden Sie am Sonntag in St. Nikolai predigen?
Wo immer wir uns von Bedrohungsszenarien leiten lassen, werden Herz, Verstand und Sinne eng. Ängstlichkeit ist eine Wurzel für Konflikte. Frieden braucht Furchtlosigkeit, Hoffnung und Zuversicht. Ich möchte dazu ermutigen, aus Gottes Frieden zu leben – das ist eine Kraftquelle, um sich für den gerechten Frieden einzusetzen.

Renke Brahms ist als „Schriftführer“ der leitende Geistliche der Bremischen Evangelischen Kirche. Am Sonntag predigt er über die Bibelstelle aus Johannes 14, 26 + 27. Darin heißt es: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“

Gottesdienst zum Sonntag Judica mit Schriftführer Pastor Renke Brahms und Propst Martin Vetter
Zeit: Sonntag, 2. April, 10 Uhr
Ort: Hauptkirche St.Nikolai, Klosterstern

Weitere Gottesdienste zum Sonntag Judica in Hamburg und Umgebung finden Sie hier