Sterbehilfe "Schauen, was am Ende des Lebens trägt"

In den letzten Stunden da sein

Sollen Ärzte sterbenskranke Menschen dabei unterstützen, sich selbst das Leben zu nehmen? Über eine gesetzliche Neuregelung stimmt der Bundestag an diesem Freitag ab. Wir haben Krankenhausseelsorgerin Ingrid Schumacher nach ihren Erfahrungen in der Begegnung mit Sterbenden gefragt

Was brauchen Sterbende?
Das ist individuell sehr verschieden. Allgemein würde ich sagen: Sterbende Menschen brauchen Menschen an ihrer Seite – Angehörige, Freunde, Ärzte, Pflegende, Therapeuten, Seelsorger–, von denen sie sich mit ihren Bedürfnissen, Ängsten und Hoffnungen wahrgenommen und verstanden fühlen und denen sie sich anvertrauen mögen.

Ist ein assistierter Suizid unter gewissen Umständen sinnvoll?
Wenn ein Patient die Frage nach Hilfe beim Suizid stellt, würde ich immer nach dem Beweggrund fragen – und danach, ob alles, was das Leiden lindern kann, ausgeschöpft ist. Vielleicht stellt sich dann heraus, dass es doch noch einen Grund gibt zu leben, auch oder gerade weil die Zeit begrenzt ist.

Was bedeutet eine Legalisierung aus Ihrer Sicht für die ärztliche Praxis?
Ärzte könnte die Legalisierung entlasten – in Fällen, in denen sie die Hilfe zum Suizid als ein Gebot der Menschlichkeit sehen. Aber ein assistierter Suizid würde immer auch eine Belastung bleiben. Ärzte wollen ja heilen oder Leid lindern. Als Problem begegnet mir im Moment eher die fehlende Bereitschaft, einen Menschen sterben zu lassen.

Was für Auswirkungen hätte eine Legalisierung für Sterbende?
Eine Sorge, die sterbende Menschen häufig bewegt, ist die, anderen Menschen zur Last zu fallen. Ich fürchte von daher, dass schwerkranke und sterbende Menschen sich genötigt fühlen, ihrem Leben vorzeitig ein Ende zu bereiten. Letztendlich schätze ich es so ein, dass der ärztlich assistierte Suizid Ausnahmefall bleibt.

Was würde eine Gesetzesänderung für Ihre Aufgaben bedeuten?
Ich denke nicht, dass sich unsere Aufgabe als Pastoren und Seelsorger in der Begleitung sterbender Menschen, ihrer Angehörigen und der Krankenhausmitarbeiter wesentlich verändern wird. Wir können für sie da sein, ihr Leid mit aushalten und schauen, was in dieser Situation am ehesten trägt. Manchmal gelingt es durch Gespräche oder auch durch Gebet und Segen, ein wenig die Angst zu nehmen und Menschen in ihrem Vertrauen, dass Gott an ihrer Seite bleibt, zu stärken.

Ingrid Schumacher ist Pastorin für Krankenhausseelsorge in der Asklepiosklinik Barmbek