Leise Töne beim Hamburger Pilotprojekt Schwerstbehinderte Kinder erkunden ihre Kirche

Die evangelische Kirche am Volksdorfer Rockenhof hat in diesen Sommerferien ein besonderes Projekt gestartet. Gruppen von vier bis sechs Kindern und ihre Einzelbetreuer besuchen für eine halbe Stunde ihre Gemeindekirche und erleben eine Kirchenführung ganz eigener Art. Entwickelt wurde das Konzept von "Erlenbusch"-Heimleiterin Susanne Okroy gemeinsam mit Pastorin Kirsten Möller-Barbek und der Kirchenpädagogin Inge Hansen.

 

Glockengeläut für die Kinder

Mark, Danijel, Luca und Jenny sitzen alle im Rollstuhl und sind mit ihren Begleiterinnen vom benachbarten Heim gekommen. Gespannt warten sie draußen auf das, was sich hinter den hohen, schweren Eingangstüren verbirgt. Doch zunächst lenkt Kirchenpädagogin Inge Hansen ihren Blick nach oben: Die Pastorin lässt die Kirchenglocken vom 36 Meter hohen Turm der 1952 erbauten Backsteinkirche läuten - die Kinder hören gespannt zu.

 

Drinnen werden leisere Töne angeschlagen: Klangschalen, Glöckchen und Klangstäbe werden vom Vorbereitungsteam aus fünf Ecken der Kirche und von der Orgel-Empore zum Klingen gebracht. Im Altarraum angekommen, dürfen die Kinder selber kleine Glocken in die Hand nehmen - fühlen und hören.

 

"Wir haben die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kinder berücksichtigt, damit für jeden etwas dabei ist", erläutert Heimleiterin Susanne Okroy die Idee. Die Kinder zünden Kerzen an und pusten sie aus, spüren die Wärme und den Geruch. "Wir bewegen uns und schlagen an verschiedenen Orten ein Glockenspiel, damit die Kinder ein Gefühl für die Größe des Raumes bekommen." Zum Abschluss stimmt die Orgel das Lied "Bruder Jakob" an und die Gruppe singt mit.

 

'Das Andere' vermitteln

Was genau die Kinder bei dem Kirchenbesuch empfinden, darüber können sie meist keine Auskunft geben. Aber es soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, eine Kirche als besonderen Raum zu erfahren. "Es ist schön und spannend, diese zarten Begegnungen zu sehen", sagt Inge Hansen nach der Führung. "Die Kinder spüren das 'Andere', das uns Kirchenräume vermitteln." Auch für die erfahrene Kirchenpädagogin ist die Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern eine neue Erfahrung.

 

"Ich kann mir vorstellen, dass das ein oder andere Kind heute zum ersten Mal in einer richtigen Kirche war - nicht nur wie sonst bei uns in der Diele zum Gottesdienst", vermutet Susanne Okroy. Am meisten habe sie Luca überrascht, der für gewöhnlich "ganz in seinem eigenen Film" ist. Normalerweise würde er ununterbrochen an seinen Fingern kauen. "So wie heute habe ich ihn noch nie erlebt." Nach den positiven Erfahrungen sollen weitere Besuche folgen.