"So ist es gewesen, so bin ich gewesen"

Kostümball im Gewerkschaftshaus und Helga Joseph (2. von links) mittendrin

Ingeborg Danzfuss, 78, hat länger gezögert mitzumachen. Wer denn die alten Geschichten überhaupt noch hören will, fragte sie sich. Doch dann gab sie sich einen Ruck. Ihr Sohn wird jetzt den ersten Eindruck vom Leben seiner Mutter als Mädchen in den 1940er Jahren bekommen.

„Er war bisher eher distanziert“, sagt sie. An diesem Freitag wird „Geschenkte und gestohlene Jahre“, das neue Buch der Biografiewerkstatt der Pauluskirche Altona vorgestellt.

15 Männer, Frauen und Paare erzählen darin von ihrem Leben, ihrer Kindheit, in Hamburg und an anderen Orten, geprägt von Verlust, Hunger und Angst. Aber sie erinnern sich auch an die Freude über das Kleine, das damals ganz groß war. Das Brötchen mit Fleischsalat,  zum Beispiel, das sich Ingeborg Danzfuss 1947 zu Weihnachten wünschte.

Auch Einwanderer berichten aus ihrem Leben

Erstmals berichten auch zwei Einwanderer aus ihrem Leben. „So erfahren wir etwas über Altonas Multikulti-Seite“, sagt Pastorin Friederike Waack, die die Biografiewerkstatt 2011 ins Leben gerufen hat.

Bei Helga Joseph, 80, kamen die traumatischen Erlebnisse ihrer Kindheit bei einer Gemeindefreizeit in Büsum hoch. Auf der Rückfahrt erzählte sie der Pastorin davon. Die ermunterte sie, bei dem Projekt mit zumachen.

Mehrmals traf  sie sich mit ihrer Biografin. Das Vertrauen wuchs. „Ich konnte einiges loswerden. Ich fühle mich befreit,“ sagt Helga Joseph. Auch die schönen Ereignisse gewannen wieder an Farbe, die Feste im Gewerkschaftshaus zum Beispiel, für die sie die Kostüme selber nähte.

Ein Leben in 3000 Worten erzählen

Bevor die Interviews begannen, wurden die Biografinnen ausgebildet: Sie lernten, die richtigen Fragen zu stellen, mit der aufbrechenden Trauer der Erzählenden umzugehen, den Stoff zu ordnen. 3000 Wörter pro Geschichte waren die Maßgabe – keine leichte Aufgabe bei der Fülle jedes einzelnen Lebens.

Ingeborg Danzfuss hat nicht alle Erlebnisse preisgegeben. Manches war ihr dann doch zu intim. Doch sie ist glücklich mit ihrer Geschichte. „Wenn ich das lese weiß ich: So ist es gewesen, so bin ich gewesen.“

Buchpräsentation mit allen Mitwirkenden und Chansons
Zeit: Freitag, 28. November 2014, 19 Uhr
Ort: Bei der Pauluskirche 1

„Geschenkte und gestohlene Jahre“ – das zweite Buch der Biografiewerkstatt der Paulus-Kirchengemeinde Altona ist für 15 € erhältlich unter buero@pauluskirchealtona.de oder unter 040/ 85 67 12.

Ingeborg Danzfuss mit ihrem Bruder, der bei einem Flugzeugangriff starb

Ingeborg Danzfuss (li) und Helga Joseph heute