10 Jahre Gottesdienst in Gebärdensprache Tanzende Hände zum stillen Jubiläum - Reportage

Viele Hände fangen an zu tanzen, als bewegen sie sich zum Takt einer lautlosen Melodie. Nur das Rascheln der Kleidung ist in der Martin-Luther-Kirche am Sonnabend zu hören, als die Besucher zusammen mit Pastorin Systa Ehm ein Lied gebärden. „Ein neuer Tag ist da, hurra“ – lautet der Text. Stille - als alle das fröhliche „Hurra“ anstimmen – die Hände werden enthusiastisch in die Höhe geworfen. „Bei dieser Geste müssen die Augen glitzern“, bedeutet die Pastorin den Anwesenden.

 

Schranken überwinden

Ebenso lautlos wie das Lied ist das Stück über den Zöllner Zachäus, das Ehm mit zwei gehörlosen Müttern aufführt. Dabei dürfen die Kinder aus dem Publikum mitmachen und wenn sie denn wollen, auch einmal Zachäus’ Schranke passieren. Die Schranke, die sie zu einer neuen Gemeinschaft führt. Am Ende gibt es Zustimmung vom Publikum. Mit glänzenden Augen und erhobenen, winkenden Händen – das Zeichen für Applaus.

 

Der Gottesdienst bietet Familien mit gehörlosen und hörenden Eltern beziehungsweise Kindern die Möglichkeit, sich in ihrer eigenen Sprache auszutauschen. Viele besuchen den Gottesdienst schon seit Jahren.

 

Ungehörte Lautsprecher-Durchsagen

Auch Christine Niebler und ihre Tochter Anika sind schon fast von Anfang an dabei. Die 14-jährige ist gehörlos. Und wie in dem Stück mit Zachäus, muss auch sie täglich Schranken überwinden. Die meisten von ihnen sind unsichtbar. „Die größte ist natürlich die Kommunikation“, erklärt Mutter Christine. Zum Beispiel im Zug oder in der U-Bahn: Ankündigungen per Lautsprecher hört ihre Tochter nicht. Sie beobachtet zwar, wie alle anderen horchend aufsehen, aber sie selbst wisse dann nicht, was los sei. Nur eine Situation, in der Gehörlose ausgeschlossen sind. Selbst das tägliche Gespräch gibt es nur mit Menschen, die die Gebärdensprache verstehen.

 

Pastorin Ehm kennt Anika schon von klein auf. Jetzt ist sie ihre Konfirmandin, in einer Gehörlosengruppe. Die Arbeit der Gehörlosengottesdienste hat Ehm übrigens von ihrem Vater übernommen. Sie wuchs so mit Gebärdenden um sich herum auf und besuchte später gezielt Gebärdensprachkurse.

 

Gottesdienste in Gebärdensprache gibt es schon seit den 1920er Jahren in Hamburg, sagt Pastorin Ehm. Seitdem haben sie sich immer weiter entwickelt, bis hin zu den Familiengottesdiensten. Offenbar ist die Gebärdensprache inzwischen Grundlage für eine eigene Sprachgemeinschaft geworden, in die alle integriert werden können.

 

Die Gebärdengottesdienste für Erwachsene werden zwei Mal im Monat angeboten, jeweils Sonntags nachmittags. Unter anderem in der Christuskirche in Wandsbek oder der Kirche am Markt zu Hamburg-Niendorf.

 

Tordis Stefan / mk (www.kirche-hamburg.de)