Gastbeitrag Wege aus Streit, Genervtheit und Verunglimpfung


Streit nervt. Doch mit einem Machtwort bringt man ihn bestenfalls zum Schweigen und unter den Teppich. Dort können Ärger und Wut heranwachsen zu einem tiefen Groll, der dann viel schwerer aufzulösen ist. Besser ist es allemal, man würde Konflikte – ähnlich wie Krankheiten – nicht verschleppen, sondern direkt angehen und auskurieren.


Überraschende Wendung

Das Neue Testament erzählt von einer bestürzenden Begegnung. Die beginnt mit Genervtheit, eskaliert in verbaler Konfrontation, gipfelt in einer feindseligen Verunglimpfung. Und in einer überraschenden Wende, nach der am Ende alle kuriert sind. Wie geht das?


Die Akteure bleiben bei sich und ihrer Energie. Sie zeigen ihre Emotionen, so heftig und ungebremst, dass jede Fairness-Regel verletzt wird. Und es gibt auch jemanden, der offen dafür ist, um aus Auseinandersetzungen zu lernen. Dieser jemand ist Jesus.


Jesus schaltet auf Durchzug

Eine Frau, eine Ausländerin, bittet Jesus um Hilfe für ihre Tochter. Jesus schaltet auf Durchzug und antwortet kein Wort. Tut, als ob die Frau Luft wäre. Die Jünger sind genervt, zumal die Frau immer lauter und aufdringlicher wird. Schließlich weist Jesus die Frau barsch zurück. „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“


Die Frau lässt nicht locker. Lässt das Argument einfach nicht gelten. Sie sagt nur drei Worte: „Herr, hilf mir!“ Nun rastet Jesus aus. Er denke nicht daran, Brot vor die Hunde zu werfen. Und die Frau? Sie hält gleichsam die andere Wange hin, sie nimmt die Demütigung an und wendet sie schlagfertig und listig gegen Jesus: Selbst Hunde lasse man nicht verhungern. Ihre Herren würden ihnen immerhin die Brocken lassen, die vom Tisch fallen.


Rückgabe der Würde

In diesem Augenblick ist Jesus kuriert von seinem Ressentiment. Es ist, als falle es ihm wie Schuppen von den Augen. Jetzt erst nimmt er die Frau wirklich wahr, jedenfalls spricht er sie erstmals direkt an. Er ist erstaunt über ihre innere Haltung. Und gibt ihr – jetzt voll der Anerkennung - ihre Würde zurück. Nun ist auch sie kuriert. Und mit ihr die Tochter. (Matthäus 15,21-28).


Was lehrt uns das? Von Verärgerung bis Versöhnung – das ist ein harter, oft weiter Weg. Bei dem sich – wenn er ganz durchschritten wird – die Kontrahenten „nichts schenken“ und keine Gemeinheit auslassen. Bei dem sich keiner in den Schmollwinkel oder die Opferrolle zurückziehen darf.


Offen sein für Überraschungen

Hier muss man kämpfen, ohne sich zu verkämpfen. Und offen sein für Überraschungen, um – geistesgegenwärtig, also offen für den Heiligen Geist – umzuschalten, etwas Neues „dazwischen kommen“ zu lassen. Nämlich jenes Moment der Selbstdistanz, des Humors, der Schlagfertigkeit, das alles in ein neues Licht rückt. Am Ende dieses Weges sind dann beide kuriert.


Das ist leicht gesagt, jedoch schwer getan. Aber es lohnt, zu üben. Martin Luther sagte: „Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles.“


Übrigens: „Streiten? Ja, klar, aber richtig!“ – ist eines der besonders häufig angefragten Seminarangebote des Beratungs- und Seelsorgezentrums (BSZ) der Hauptkirche St. Petri. Dort kann man sich an sieben Tagen der Woche – unentgeltlich, anonym, unangemeldet - Probleme von der Seele reden.


 

mk (www.kirche-hamburg.de)