Weihbischof Jaschke wird 75 "Wichtig sind Toleranz und Gelassenheit"

Beliebter Gast in Talkshows: Weihbischof Hans-Jochen Jaschke

Hamburg – Wir gratulieren! Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke feiert heute seinen 75. Geburtstag. Er ist Deutschlands dienstältester Bischof. Lesen Sie, was Hamburgs Bischöfin Kristen Fehrs an ihm schätzt – und was er für die kommenden Jahre plant

Bischöfin Fehrs wünschte ihrem katholischen Amtsbruder zum 75. Geburtstag "von Herzen Gottes reichen Segen". Jaschke habe mit „leidenschaftlichem Einsatz die Ökumene vorangebracht und den Dialog der Religionen mit aufgebaut“. Fehrs: "Ich bin sehr dankbar für unsere gute Zusammenarbeit und wünsche ihm noch lange Jahre in ungebrochener Schaffenskraft."

Traditionell reichen katholische Bischöfe zu ihrem 75. Geburtstag beim Papst ihren Rücktritt ein. Jaschke amtiert seit 27 Jahren in Hamburg, so lange wie kein anderer Bischof vor ihm. Wann ein Nachfolger bestimmt wird, ist noch offen.

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  • Von Edgar S. Hasse und Christoph Rind

    Abendblatt: Herr Weihbischof Dr. Jaschke, sind Sie amtsmüde – schließlich haben Sie dem Papst geschrieben, er soll Sie in den Ruhestand schicken!
    Jaschke: So wollen es bei uns die Regeln, wenn man sein 75. Lebensjahr vollendet. Deshalb habe ich Papst Franziskus Anfang September um Emeritierung gebeten.

    Am 29. September feiern Sie Ihren 75. Geburtstag. Kann es denn sein, dass der Papst Ihre Bitte ablehnt?
    Im Prinzip wird dem entsprochen. Es könnte aber sein, dass der Papst darum bittet, dass ich solange im Amt bleibe, bis ein neuer Weihbischof eingesetzt ist. Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz bleibe ich aber nur bis Ende September.

    Sie waren in Fernseh-Talkshows ein gern gesehener Gesprächspartner. Werden Sie da weiterhin auftreten – mit noch größerer Freiheit, ganz ohne offizielles Kirchenamt?
    Noch größere Freiheit? Ich habe meine Sicht immer in Freiheit vertreten. Von den Medien und natürlich immer von der Bischofskonferenz gebeten worden, die katholischen Positionen zu erläutern. Ich war bei allen: bei Friedman, Plasberg, Christiansen, Jauch, Maischberger, Bremer, Steinbrecher, Illner.

    Ist die Beobachtung richtig, dass Ihre liberalen Ansichten gelegentlich im Konflikt zur offiziellen Linie der Deutschen Bischofskonferenz stehen?
    Liberal sein und den Konsens unserer Kirche teilen, muss sich nicht ausschließen! Die Bischofskonferenz ist ein vielfältiges Gremium. Obwohl wir viele einzelne Bischöfe sind, stehen wir in den grundlegenden Fragen natürlich zusammen.

    Also dominiert das gute Miteinander?
    Zweifellos, wir sind katholisch! Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, ist ein großer Mensch, hat uns da gut zusammen gehalten.

    Und Ihr früherer Doktorvater, Joseph Ratzinger, jetzt Papst Emeritus?
    Er ist ein großer Theologe, im guten Sinne liberal, kein Betonkopf. Seit den 1970er-Jahren gibt es mit ihm und seinem Schülerkreis jährliche Treffen mit theologischen Debatten. In seiner Zeit als Papst hat er vielleicht Schwächen mit dem Regieren gezeigt. Er war mehr der Professor und kluger Mann der Wort. Immer ganz herzlich zu den einfachen Menschen. Eine seiner großen Leistungen bleibt die Einsicht, dem Amt des Papstes körperlich und im Blick auf die geistige Spannkraft nicht mehr gewachsen sein zu können. Der Rücktritt war eine wegweisende Entscheidung.

    Tritt Franziskus womöglich auch eines Tages zurück?
    Das kann ich nicht sagen. So etwas kommt wohl erst nach dem Tode von Joseph Ratzinger. Sonst hätten wir drei Päpste gleichzeitig.

    Wann gab es das bislang letzte Treffen mit Ihrem theologischen Lehrer?
    Ende August bei seinem kleinen Haus im Vatikan, im Garten. Er trug ein weißes Gewand, wirkte gebrechlich.

    Benedikt XVI. hat die katholische Kirche in Deutschland in seiner Amtszeit kritisiert.
    Den Apparat und die vielen Einrichtungen findet er zu schwerfällig.

    Sie selbst sind der dienstälteste deutsche Bischof. Welchen Rat geben Sie jüngeren Kollegen, die gerade 50 Jahre geworden sind?
    Wir haben in der katholischen Kirche eine klare Hierarchie. Oben stehen die leitenden Bischöfe. Ich selbst bin Weihbischof. Da haben wir in den Konferenzen nicht allzu viel zu sagen. Aber die jungen sollen mutig und selbstbewusst auftreten, nicht zu konservativ sein.

    Wenn Sie als Erzbischof von Hamburg mehr zu sagen gehabt hätten, was hätten Sie anders gemacht?
    Wohl gar nicht so viel. Ich finde, die Kirchen in Deutschland machen es schon richtig. Wir haben ein vielfältiges Kirchenleben mit engagierten Mitgliedern, mit vielen Ehrenamtlichen. Wir sind eine Lobby für das Gemeinwohl.

    Viele treten aber aus, weil sie keine Kirchensteuer zahlen wollen.
    Ja, das sind bei beiden großen Kirchen insgesamt jährlich um die 400.000 Mitglieder. Als Grund wird immer die Kirchensteuer genannt, aber es ist auch der Rückgang an selbstverständlicher Kirchlichkeit. Es ist höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie man Kirchenmitgliedschaft und Steuer voneinander trennen kann.

    Wie soll das funktionieren?
    Darüber müssen die Klugen und Weisen nachdenken.

    Ein Vorwurf, den die Bischöfe immer wieder hören, lautet: Der Klerus hat sich von der Basis der Gläubigen entfremdet. Was sagen Sie dazu?
    Wir kennen uns recht gut! Haben uns aber nicht immer gesagt, wie es um uns steht. Mit Papst Franziskus weht ein neuer Wind. Wir können ganz offen miteinander umgehen. Zum Beispiel: Die Familiensynode für die ganze Weltkirche. Es gab eine Bestandsaufnahme mit klaren Fragen und mit Antworten aus allen Gemeinden. Kein Thema war tabu. Die Ergebnisse wurden für jeden nachprüfbar nach Rom gesandt. Auf der Synode gab es natürlich auch Streit, ich meine fruchtbaren. Der Papst hat klar gesprochen: Wir müssen uns mit den konkreten Menschen vor Ort auseinandersetzen, ihn ernst nehmen und lieben, und zwar jeden.

    Wann dürfen denn Menschen, die geschieden und jetzt wieder verheiratet sind, an der Kommunion teilnehmen?
    Ich bin froh, dass die Tür dafür geöffnet wurde. Jeder, jede muss selber entscheiden: trete ich zur Kommunion hinzu oder nicht. Der Priester entscheidet nicht, aber bietet in einem seelsorgerisches Gespräch eine Klärung an. Also: keine restriktiven Verbote, keiner soll von einem Prinzip erschlagen werden.

    Wie haben Sie Hamburg in Ihrer Amtszeit erlebt?
    Ich lebe sehr gern in unserer Stadt. Sie ist säkular geprägt, aber die Kirchen gehören fest dazu, vor allem in der Ökumene. Kaum war ich Bischof, so gab es in Hamburg die weltweit erste lutherische Bischöfin, Maria Jepsen. Wir sind sofort Freunde geworden, auch mit Kirsten Fehrs. Wir Katholiken in der Diaspora haben starke katholische Schulen, Krankenhäuser, eine bedeutende Caritas und die katholische Akademie, um nur einige Beispiele zu nennen.

    In zahlreichen Bundesländern gewinnt die AfD immer mehr Wähler. Muss ein Katholik zur Beichte gehen, wenn er AfD gewählt hat?
    Wenn er das als Sünde empfindet: Ja. Ich wünsche mir, dass die großen Parteien wieder stabiler werden. Der Streit zwischen den beiden christlichen Parteien ist eine ärgerliche Torheit.

    Sie selbst waren als Kind ein Flüchtling, mussten als Vierjähriger von Oberschlesien nach Westdeutschland fliehen. Wie erleben Sie die gegenwärtige Lage der Flüchtlinge?
    Als ich die ersten Bilder der Flüchtlingswoge sah, brach mir immer die Stimme weg. Das zerreißt mein Herz. Deutschland braucht jetzt ein Programm der Integration, das ja auch schon greift.

    Vor einigen Jahren sagten Sie einmal bei einer Firmung, dass die Jugendlichen noch erleben würden, dass Frauen zu Priestern geweiht werden. Glauben Sie heute noch immer daran?
    Es kann sein, dass ich das gesagt habe. Wir haben in der katholischen Kirche die lange Tradition, dass das Priesteramt ausschließlich von Männern ausgeübt wird. Priester haben nur ein Amt unter vielen in der Kirche aus. Wir müssen runter kommen von der Priesterfixierung. Frauen müssen verantwortliche Positionen und Ämter haben. Gerade für die Entwicklung der Pastoralen Räume brauchen wir Frauen mit amtlichen Aufgaben, aber besonders auch Laien, die der Kirche vor Ort ein gutes Gesicht geben. Was die Präsenz von Frauen angeht, waren wir nie schlecht: Maria, die ungezählten Ordensfrauen, kluge und gelehrte Persönlichkeiten… Die Quote in unseren Verwaltungen liegt bei 20 Prozent.

    Zu einem Thema in Pinneberg: Die Moscheeverantwortlichen fühlen sich gegenwärtig durch die Nähe zu einem Bordell belästigt. Was können sie den Muslimen raten?
    Die „Große Freiheit“! Die Kirche St. Joseph befindet sich mitten im Rotlichtmilieu. Wichtig sind Toleranz und Gelassenheit.

    Werden Sie auch im Ruhestand Hamburg weiter verbunden bleiben?
    Ich werde langfristig meine Dienstwohnung aufgeben müssen und dann, unterstützt durch die Kirche eine neue Wohnung suchen, als Flüchtling in der Hansestadt. Aber bei „Mutter Kirche“ soll man gut aufgehoben sein. Ich muss mein Leben neu erfinden, mich sortieren. Theologisch will ich weiter über den Kirchenvater Irenäus arbeiten. Ich hoffe, ich komme noch aufs Fahrrad, kann wandern und viele kirchliche Dienste übernehmen. Schon jetzt sind alle Wochenenden bis Ende 2017 mit Firmungen belegt.

  • „Ich wünsche Weihbischof Hans-Jochen Jaschke zu seinem Geburtstag von Herzen Gottes reichen Segen. Ich bin ihm als älterem Bruder im Bischofsamt sehr verbunden und schätze es, wie er mit herzlichen Worten und klugen Gedanken die unterschiedlichsten Leute erreichen kann. Er vertritt klare Positionen, ist dabei jedoch stets bereit, die eigene Meinung im Lichte guter Argumente zu überprüfen. Mit leidenschaftlichem Einsatz hat er die Ökumene in dieser Stadt vorangebracht und den Dialog der Religionen mit aufgebaut. Wir haben oft über diese Themen gesprochen und wissen beide, was für den Frieden in unserem Land entscheidend ist: Dass wir nämlich das Miteinander von Menschen unterschiedlichen Glaubens nicht nur fordern, sondern auch leben. Mit Hans-Jochen Jaschke gelingt das auch deswegen so gut, weil er ein so zugewandter Seelsorger und herzlicher Christenmensch  ist. Ich bin sehr dankbar für unsere gute Zusammenarbeit und wünsche ihm noch lange Jahre in ungebrochener Schaffenskraft.“

  • Das Erzbistum Hamburg feiert den Geburtstag am Sonntag, den 8. Oktober, um 10.30 Uhr mit einem Festgottesdienst im Hamburger St. Marien-Dom. Die Predigt hält Jaschke selbst. Anschließend sprechen Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Erzbischof Stefan Heße und der evangelische Landesbischof Gerhard Ulrich.

    Einen Tag zuvor, am 7. Oktober, wird Jaschke in der Katholischen Akademie mit einem Festvortrag über die Theologie der Reformators Martin Luthers geehrt. Die Predigt im ökumenischen Gottesdienst hält die Bischöfin Kirsten Fehrs.

  • Weihbischöfe unterstehen dem Erzbischof und unterstützen ihn bei seinen Aufgaben. Das Erzbistum Hamburg mit seinen rund 400.00 Katholiken wurde erst 1995 gegründet. Es umfasst neben Hamburg auch Schleswig-Holstein und Mecklenburg.