Ruanda Wo Hoffnung wächst im Land der 1000 Hügel

Bohnen sprießen: Per Hand werden sie gesät und geerntet

Nach dem Völkermord an Tutsi und gemäßigten Hutu von 21 Jahren arbeiten die Partnerorganisationen von Brot für die Welt daran, die Wunden zu heilen und die große Armut zu bekämpfen. Ob und wie das gelingt, hat sich eine Delegation mit neun Teilnehmern aus Kirche und Diakonie auf Einladung des Diakonischen Werks Hamburg vor Ort angeschaut

Der Kohl ist schon fast erntereif. Und auch die Pilze in der Holzhütte neben dem Feld sprießen. Besuch im Lehrgarten der landwirtschaftlichen Kooperative Koimu, rund eine Stunde von der Hauptstadt des Distrikts Muhanga im Zentrum des Landes entfernt.

Koimu gehört zum Dachverband UGAMA, der von Brot für die Welt finanziert wird. 67 landwirtschaftliche Kooperativen sind hier organisiert. UGAMA unterstützt seine Mitglieder mit Expertise im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung.

Rund 40.000 Menschen werden so erreicht. Sie lernen, Küchengärten anzulegen, um so vitaminreiches Gemüse für die Selbstversorgung zu ziehen. Über die Kooperative erwirtschaften sie ein Einkommen aus dem Mais- und Reisanbau und können dadurch das Schulgeld für ihre Kinder zahlen.

Die Erwachsenen planen wieder in die Zukunft

Die Lebensbedingungen der Bauern in der Region haben sich dadurch deutlich verbessert. Die Kinder können sich in der Schule besser konzentrieren, weil sie gesünder ernährt werden, die Erwachsenen planen wieder in die Zukunft. „Wir wollen uns für die Kooperative ein Auto kaufen, damit wir unser Gemüse zum Markt fahren können. Und dafür sorgen, dass alle unsere Mitglieder zuhause Strom haben“, sagt Jeanne, die Präsidentin von Koimu.

Ruanda ist in etwa so groß wie Brandenburg. Mit zwölf Millionen Einwohnern gehört es zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Erde – und zu den ärmsten. Der Bürgerkrieg und der Völkermord, bei dem 1994 eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu niedergemetzelt wurden, wirkt nach.

 Zwar ist vieles ist wieder aufgebaut, die Wirtschaft wächst, die gerichtliche Aufarbeitung ist nahezu abgeschlossen. Doch die seelischen Wunden sitzen tief. Opfer und Täter können sich nicht entkommen. Treffen Überlebende und Haftentlassene in ihrem Dorf aufeinander, entladen sich Angst und Wut nicht selten in Gewalt.

Vor dem Genozid waren sie Freunde

 AMI, ein Brot für die Welt-Partner in der südlichen Provinz Huye, wurde im Jahr 2000 gegründet. Auch Traumatherapeuten sind im Team. Basis der Arbeit ist ein Ansatz, der das Individuum stärkt – und zugleich die Gemeinschaft fördert.

Wie AMI vor Ort arbeitet, schauen wir uns ins einem Dorf an. Der Weg dorthin führt über ausgewaschene Lehmstraßen. Auf einer Anhöhe haben sich 200 Menschen versammelt. Zwei Männer, Laurent und Faustin, erzählen. Vor dem Genozid waren sie Freunde. Dann tötete Faustin ein Mitglied aus Laurents Familie. Nach elf Jahren Haft kehrte er zurück ins Dorf.

Voller Angst seien sie beide gewesen, erzählen sie. Viele Gespräche mit Unterstützung durch Psychologen von AMI und gemeinsame Arbeit auf ihren Feldern habe es gebraucht, bis sie sich wieder die Hand gaben. Das Dorf feierte ihre Versöhnung. Inzwischen heirateten Kinder von Opfern und Tätern, sie werden Paten für ihre Neugeborenen, berichtet Jean Baptiste Bizimana, der die Arbeit von AMI koordiniert.

Jeder Dritte ist traumatisiert

Dass 85 Prozent der Menschen in Ruanda die Schrecken bereits verarbeitet haben, wie die Regierung behauptet, bezweifelt Bizimana jedoch: „Jeder Dritte in Ruanda ist traumatisiert – das zieht sich durch die Generationen.“

Auch der Kampf ums Überleben prägt den Alltag vieler Familien. Rund 70 Prozent der Menschen in Ruanda leben außerhalb der Städte, Ackerland ist knapp.Die „Peacemaker“ von APRED-RGL - eines weiteren Brot für die Welt-Partners in Remera östlich von Kigali - unterstützen Menschen, ihre Konflikte friedlich zu lösen. Sie wirken in den Dörfern, in Schulen, in den Kirchengemeinden. Sie bringen verfeindete Parteien ins Gespräch, helfen mit Fachwissen weiter

 

Die Partnerorganisationen von Brot für die Welt in Ruanda sind auf Spenden und Kollekten angewiesen. Vom ruandischen Staat sei kein Geld zu erwarten, sagt AMI-Koordinator Bizimana. Dieser investiere eher in eine eigene Versöhnungsarbeit und die Wirtschaftsförderung. Bizimana beantragt gerade neue Mittel bei Brot für die Welt, weil Ende Oktober die Unterstützung für AMI nach der Regelzeit von drei Jahren ausläuft.

Am Ende bleibt neben bewegenden Eindrücken und Anregungen auch viel Nachdenklichkeit: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass die wirkungsvolle Arbeit unserer Brot für die Welt-Partner weitergehen kann. Sie erreicht die Menschen direkt“, sagt Gabi Brasch vom Vorstand des Diakonischen Werks.

Mehr wissen

  • Die Wirtschaft Ruandas wächst zwar stetig, doch das Land zählt immer noch zu den 20 ärmsten der Welt. Der Staatshaushalt speist sich bis zu 45 Prozent aus Geldern von Geberländern.

    Mit rund zwölf Millionen Einwohnern und einer Fläche von der Größe Brandenburgs gilt Ruanda als das am dichtesten besiedelte Land Afrikas. Differenzen zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi  - die auf die Kolonialzeit zurückgehen - führten 1994 in einen beispiellosen Genozid: Innerhalb von 100 Tagen tötete die herrschende Hutu-Mehrheit rund eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu. Auch die christlichen Kirchen boten keine Zuflucht.

    Seit 2003 hat das Land ein gewähltes Parlament. Doch trotz aller Errungenschaften steht Ruanda wegen mangelnder Pressefreiheit, Unterdrückung der Opposition, Manipulation von Wahlen und der Destabilisierung des Ost-Kongo in der Kritik.


  • UGAMA

    bedeutet in der Landessprache Ruandas „Servicezentrum für Kooperativen“. UGAMA ist der Dachverband von 67 Kooperativen im Zentrum des Landes mit rund 27.000 Mitgliedern. Hinzu kommen rund 300 Familien in zehn „Pilotzonen“. Diese leben meist von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Die Experten von UGAMA unterstützen sie darin, gesundes Gemüse in Küchengärten anzubauen, zuzubereiten und zu vermarkten.

    APRED-RGL

    APRED-RGL mit Hauptsitz in Kigali wurde 2008 ins Leben gerufen. Die Initiative wird von christlichen Kirchen im Ost-Kongo, in Burundi und in Ruanda getragen. Ziel ist die grenzübergreifende Zusammenarbeit für Frieden, Versöhnung und nachhaltige Entwicklung in der Region der Großen Seen, die seit Jahrzehnten von Gewalt geprägt ist.  Ein Schwerpunkt der Arbeit sind die „Peacemaker“  – Menschen, die bei Konflikten vermitteln.

    AMI (Association Modeste et Innocent)

    Gegründet im Jahr 2000, unterhält AMI rund 150 Gruppen in drei Distrikten im Süden des Landes. Sie arbeiten zur Heilung von Traumata, zur Versöhnung und Konfliktlösung. Mehrere tausend Menschen werden dadurch erreicht. Der einzelne soll gestärkt werden – und mit ihm die Gemeinschaft, „das was vereint“. Dazu gehört auch, die wirtschaftliche Situation der Menschen zu verbessern, etwa durch Spargemeinschaften und Mikro-Kredite.