Turm der St. Johanniskirche Harburg wird fallen

Rostende Armierung im Beton der St. Johanniskirche Harburg

Turm der St. Johanniskirche Harburg wird abgerissen

Es ist entschieden …

Seit Anfang 2020 musste der Kirchengemeinderat (und nicht nur der) eine Entscheidung über den Turm der St. Johanniskirche treffen. Gut zwei Jahre galt es immer wieder neu abzuwägen, zwischen der Möglichkeit der Instandsetzung des Turmes, die mit immensen Kosten verbunden wäre, und der Alternative, den für uns schmerzlichen Abbruch des Turmes.

Die Zeit der Beratungen und Planungen, die Zeit des „für und wider“, Instandsetzung oder Abbruch, ist zu Ende. Auf Antrag des Kirchengemeinderates und mit Zustimmung des Kirchenkreisrates hat das Baudezernat der Nordkirche Ende April 2022 die Genehmigung zum Abbruch des Kirchturms der St. Johanniskirche erteilt.

Warum hat die Entscheidungsfindung so lange gedauert?

Nach dem ersten Schock, Baustopp im Sommer 2019 und den Ergebnissen des Gutachtens der Beton-Sachverständigen zum Zustand des Turmes und den baulich begrenzten Möglichkeiten der Instandsetzung zu Beginn des Jahres 2020 mussten der Kirchengemeinderat, die Vertreter*innen der Bauabteilung sowie die Pröpstin in verschiedenen Diskussionen und Beratungen feststellen, dass ein so großer finanzieller Kraftakt für die Kirchengemeinde nicht möglich ist. Deshalb wurde im Laufe des Jahres entschieden, dass der Turm abgebrochen werden sollte. Die Vorplanungen der baulichen Maßnahmen dafür und die Anträge für Genehmigungen wurden vorbereitet. Im Herbst des Jahres bot sich dann die Aussicht, die Instandsetzung eventuell über Drittmittel finanzieren zu können.

Auf Initiative des Harburger Politikers, Ralf-Dieter Fischer, wurden der Kirchengemeinde Ende 2020 für die Instandsetzung des Turmes Fördermittel des Bundes (BKM = Fördermittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien) in Höhe der Hälfte der ermittelten Kosten in Aussicht gestellt, das heißt konkret 750.000 Euro. Die andere Hälfte der benötigten Finanzmittel könnten von der Stadt Hamburg bereitgestellt werden. So der Plan. Bei der Kirchengemeinde verblieben wäre die weitere Instandhaltung und Wartung des Turmes und die schon im Gutachten angezeigte nächste größere Instandsetzungsmaßnahme in ungefähr 15 Jahren. Um dieses alles zu finanzieren hätten jedes Jahr ca. 30.000 Euro aus Haushaltsmitteln einer Turm-Rücklage zugeführt werden müssen. Denkmalschutz ist uns ein hohes Gut. Deshalb wollte sich der Kirchengemeinderat mit Hilfe der großzügigen finanziellen Unterstützung des Instandsetzungsprojektes annehmen.

Das neue Jahr 2021 begann und mit ihm eine längere Wartezeit. Die Voranfrage für die in Aussicht gestellten BKM-Mittel kann nämlich erst gestellt werden, wenn die gesamte Finanzierung der Instandsetzungsmaßnahme geklärt ist. Bis zum Sommer 2021 gab es keine schriftliche Zusage für die Co-Finanzierung. Ein Umstand, der im Kirchengemeinderat dazu führte, wieder die Alternative zur Instandsetzung, nämlich den Abbruch des Turmes, in den Blick zu nehmen und mit der Bauabteilung des Kirchenkreises sowie der Pröpstin zu beraten.

Im September wurde durch einen beauftragten Statiker die Standfestigkeit des Turmes routinemäßig überprüft mit dem Ergebnis, dass die Standfestigkeit nur noch bis Herbst 2022 gegeben sei. Dieser zeitliche Druck führte nun zu verstärktem Einsatz. Zum einen wurde ein möglicher Abbruch vorbereitet (Genehmigungen und Finanzierung), zum anderen wurden das Bauvorhaben Instandsetzung und dessen Finanzierung noch einmal kritisch überprüft.

Gespräche und Beratungen gingen nun wieder über die Ebene der Kirchengemeinde und des Kirchenkreises hinaus. Vertreter*innen des Denkmalschutzamts Hamburg, des Baudezernats der Landeskirche und 2022 der Kirchenleitung und der Kulturbehörde wurden einbezogen und machten sich stark für den Erhalt des Turmes. Bekräftigt wurde von Vertreter*innen der Stadt Hamburg im Gespräch, dass die Co-Finanzierung der Instandhaltung erfolgen würde.

Warum wurde trotzdem der Abbruch beschlossen?

Parallel zu den Gesprächen und Beratungen stellte sich heraus, dass der ursprüngliche Finanzierungsplan wegen der durch die Corona-Krise rapide steigenden Baukosten immer weiter nach oben angepasst werden musste. Es tat sich eine Finanzierungslücke auf, die nach Beginn des russischen Krieges in der Ukraine durch weitere Kostensteigerungen immer größer wurde. Im März hatte die Finanzierungslücke schon eine Höhe von ca. 600.000 Euro erreicht. Zudem musste auch die Prognose der erforderlichen Finanzmittel für die Erhaltung des Turmes in den Folgejahren nach oben korrigiert werden. Aus den Anfang 2020 errechneten 30.000 Euro jährlich sind es nun 45.000 Euro geworden. Welche Kosten durch die Finanzierungslücke und die Erhaltung des Turmes in den nächsten 15 bis 30 Jahren tatsächlich auf die Gemeinde zukommen würden, ist ungewiss.

Zum anderen wurde sich noch einmal eingehend mit dem Zustand des Turmes beschäftigt. Dabei musste zur Kenntnis genommen werden, dass selbst bei hohen Investitionen und den für die Maßnahme erforderlichen Mühen sie doch nie nachhaltig wirksam wäre. Denn der Turm ist unter Berücksichtigung der Bautechnik von 1952 „an der Grenze der Möglichkeiten“ konstruiert und gebaut worden. Heute würde er so nicht mehr genehmigt werden können. Deshalb hatte er von Anfang an bauliche Probleme, und diese könnten auch bei einer erneuten großen Instandsetzung nicht behoben werden.

Die Entscheidung zum Abbruch ist extrem schwergefallen: Der Kirchturm ist ein symbolträchtiges Bauwerk für Harburg und ein deutlicher Hinweis auf eine Kirche. Er ist, wie das gesamte Ensemble mit Kirche und Pastoraten, denkmalgeschützt und stellt eine architektonische Besonderheit dar. Denkmalschutz ist uns - wie schon gesagt - ein hohes Gut. Wir stellen uns dieser Verantwortung für unsere denkmalgeschützten Gebäude zu denen die Lutherkirche in Eißendorf und die St. Pauluskirche in Heimfeld gehören. Auch die 2019 begonnen Gesamtmaßnahmen zur Instandsetzung des Turmes und der Dächersanierung und - modernisierung der St. Johanniskirche belegen das.

Der Kirchengemeinderat hat als Leitungsgremium der Kirchengemeinde nicht nur die Verantwortung für die Gebäude, sondern auch dafür, dass kirchengemeindliche Arbeit für die und mit den Menschen in Harburg auch in Zukunft möglich ist und finanziert werden kann. Um dies tun zu können braucht es Einnahmen, die sich laut Prognose in den nächsten Jahren verringern werden. Mit weniger Geld auszukommen, die Gebäude zu erhalten und die Mitarbeiter*innen-Stellen zu finanzieren, das ist eine sehr große Herausforderung für die Kirchengemeinde.

Es ist sicher, dass der Unterhalt dieses einen Kirchturms auch in den kommenden Jahren den Haushalt der Kirchengemeinde erheblich belasten würde. Dieses Risiko kann der Kirchengemeinderat nicht verantworten. Uns ist bewusst, dass es ein großes Interesse gibt, den Turm zu erhalten. Wir danken allen ganz herzlich, die sich dafür eingesetzt haben, den Turm erhalten zu können.

Wie geht’s nun weiter?

Wir sind entschlossen, den Standort St. Johannis – das Kirchenschiff mit seiner außerordentlichen Architektur sowie die Gemeinderäume und vor allem das gemeindliche Leben darin – zu erhalten. Die St. Johannis-Kirche wird bis auf weiteres zu einer Kirche ohne Turm – sowas gibt es anderswo auch. Es gibt den Zukunftswunsch nach einem neuen Glockenturm, die Hoffnung auf eine neue gute Lösung. Aber für Konkretes ist es noch zu früh. Jetzt müssen wir uns an die neue Situation gewöhnen.
Konkret heißt das: Der unterste Sockel des Turms wird bleiben und auf dem Gemeindehausdach zu sehen sein. Denn der Turm steht ja „im“ Gemeindehaus, und das muss gegen Niederschlag geschützt bleiben. Die Bauarbeiten werden für die Gruppen und die Mitarbeitenden Herausforderungen mit sich bringen. Wir versuchen auch hier, miteinander gute Lösungen zu finden.

Pastorin Sabine Kaiser-Reis, Vorsitzende des Kirchengemeinderates

 

 

 

 

Rostende Armierung im Beton der St. Johanniskirche Harburg