Kirche muss Verantwortung übernehmen Bischöfin Maria Jepsen verabschiedet - Letzte Predigt in St. Georg

Drinnen sitzen hochrangige Kirchenvertreter auf den vorderen Bänken. Der Präsident des Lutherischen Weltbundes Munib Younan, EKD-Chef Nikolaus Schneider, der bayerische Landesbischof und VELKD-Chef Johannes Friedrich, der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und der russisch-orthodoxe Erzbischof Feofan aus Berlin. Alle Zeugen ihres langen ökumenischen Engagements als Bischöfin, die den Dialog zu den Schwesterkirchen suchte. In Hamburg holte sie Vertreter der großen Religionsgemeinschaften schon vor 15 Jahren an einen Tisch und so entwickelte sich ein Prozess des gegenseiten Vertrauens.

 

Ihre letzte Predigt

Heute, bei ihrem Abschied sind nur wenig Presseleute zu sehen. Anders als bei ihrer Amtseinführung. Die Verabschiedung der weltweit ersten Frau im Bischofsamt in der evangelisch-lutherischen Kirche – das interessiert wohl mehr die eigene Gemeinschaft. Dabei hatte Maria Jepsen damals Geschichte geschrieben. Nun hält sie ihre wohl letzte Predigt in der bunten St. Georgskirche, wo sie so oft mit den Ausgegrenzten, mit Aidskranken und Homosexuellen den Gottesdienst gefeiert hatte.

 

„Scheiden tut weh“, sind ihre ersten Worte an die Gemeinde. Sie mochte ihr Amt als Bischöfin, das sie 18 Jahre ausübte. Erst in zwei Jahren wäre ihre Amtszeit zu Ende gewesen. Doch es kam anders. Wegen der Vorwürfe, dass die evangelische Kirche gegen einen Pastor in Ahrensburg, der vor mehr als 20 Jahren Schutzbefohlene sexuell missbraucht hatte, zu wenig unternommen hatte, trat die Bischöfin im Juli 2010 von ihrem Amt zurück. Sie wollte als Kirchenleitung zeigen, dass sie die massiven Versäumnisse, die es damals gab, ernst nimmt.

 

Kirche braucht Mut Fehler aufzudecken

„So übernahm ich Verantwortung und bat um Vergebung. Und dafür erhielt ich viele Zeichen der Nähe und des Mitfühlens, die mir gut taten,“ ergänzt sie. Die Kirche brauche den Mut, Fehler aufzudecken und sie öffentlich zu benennen.


Leider sei der Missbrauchsfall bis heute nicht restlos aufgeklärt, sagt Jepsen in ihrer Predigt. Damit spielt sie auf das Disziplinarverfahren der Kirche gegen den Pastor im Ruhestand an. Ihn erwartete die Höchststrafe des Kirchengerichts – doch der Pastor entzog sich weiterer Befragungen, indem er seine Entlassung aus dem Dienst der evangelischen Kirche beantragte.

 

Die dienstälteste Bischöfin Deutschlands blickt auf eine abwechslungsreiche Zeit zurück. Anfangs sei sie vielleicht mehr feministisch geprägt gewesen. 1992 war sie auf ihrer ersten Demonstration als Bischöfin, Seite an Seite mit Frauenrechtlerinnen und Gewerkschaftlern unterwegs, erinnert sie sich. Da hätte sich inzwischen „die Gesellschaft und ihre Frauenbilder geändert – Gott sei Dank“, fügt sie lächelnd hinzu. Geblieben sei allerdings der Drang vieler Menschen, die eigenen Leistungen herauszustellen, auf Verdienste zu achten, sich mit denen gut zu stellen, die gerade das Sagen haben und über Macht verfügen.

 

Innerer Reichtum der Kirche

Dem stellt Jepsen den inneren Reichtum in der Kirche entgegen. Er sei wichtiger. Er bestehe in "lebendigen Gemeinden", nicht im Streben nach Macht und Einfluss. „Wenn Kirche sich vornehmlich von Statistiken und Medien, von dem Verlangen nach gesellschaftlicher Anerkennung und eigener Bedeutungsfülle leiten lässt, dann hat sie ihren Auftrag verfehlt.“ Stattdessen lobt sie die Frömmigkeit und Mission, die mit der Parteilichkeit für die Schwachen und Ausgegrenzten zusammen gehöre.

 

Dann gab Jepsen ihr Bischofskreuz zurück in die Hand der evanglischen Kirche. Bischof Friedrich segnete Maria Jepsen und zitierte auch die Worte Dietrich Bonhöfers: "Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag." – Und vermutlich wissen die meisten Gottesdienstbesucher auch wie das Gedicht weitergeht, das der evangelische Pastor in der Todeszelle im KZ schrieb. Es ist ein Schluss voller Hoffnung: "Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag."

 

Mechthild Klein (www.kirche-hamburg.de)