Das Rätsel um das Grab des Suppenkaspars

Die Terrine, die eine Urne ist: Heimatforscher Michael Borkowski auf den Spuren des Suppenkaspers

Ottensen - Der Suppenkaspar ist auf dem Friedhof der Christianskirche begraben - das bekam Michael Borkowski als Kind zu hören, wenn er am Grabstein in Form einer Suppenschüssel vorbeikam. Erst später machte er sich dem Rätsel auf die Spur.

Klein und unscheinbar steht noch heute ein Steinsockel mit einer Schüssel direkt vor dem Zaun, der das Grab des berühmten Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock umgibt. Eine Inschrift hat das Grab mit der Suppenschüssel nicht mehr.

Wenn Michael Borkowski als Kind seine Suppe nicht essen mochte, nahm seine Mutter ihn mit zum Spaziergang auf den Friedhof der Christanskirche. Dort zeigte sie ihm das Grab vom Suppenkaspar und mahnte ihn: "Wenn Du nicht aufisst, endest Du so wie der kleine Kaspar."

Die Geschichte habe ihn als Kind sehr beeindruckt, sagt der heute 54-jährige Borkowski. Als Erwachsener wollte der Hobby-Historiker wissen, was es wirklich mit dem Grab auf sich hat. Er durchforstete verschiedene Archive. Ein Buch mit technischen Zeichnungen schließlich brachte die Antwort: Das Grab ist nicht die Ruhestätte vom Suppenkasper, sondern von Samuel Thornton, dem Sohn einer wohlhabenden Hamburger Bankiersfamilie.

Die "Suppenterrine" ist eine Urne

Um herauszufinden, wann Samuel dort begraben wurde, verglich Borkowski verschiedene Gemälde vom Friedhof. Dabei stellte er fest, dass der Grabstein für den Bankierssohn irgendwann zwischen 1816 und 1822 aufgestellt worden sein muss - also mehr als 20 Jahre vor der Veröffentlichung des Bilderbuchs "Struwwelpeter", das auch die Geschichte vom Suppenkaspar beinhaltet. Und was heute an eine Suppenterrine erinnert, soll eine Urne darstellen.

Die Entstehung der Legende erklärt sich Borkowski mit der Hungersnot zur Jahrhundertwende, als es Eltern Sorgen bereitete, wenn die Kinder die wenigen Lebensmittel nicht essen wollten. "So wurde vielleicht dieses Grab genutzt, um ihnen die Geschichte vom Suppenkaspar zu erzählen - damit sie ihren Teller immer leeren."  

Nachdem Borkowski als Bürgerreporter einen Artikel für das "elbe-Wochenblatt" über das sagenumwobene Grab geschrieben hatte, bekam er prompt Leserbriefe: von einer älteren Dame etwa, die ebenfalls mit der Legende aufgewachsen war. Sie schrieb ihm, dass schon ihre 1904 geborene Mutter vom Grab des Suppenkaspars erzählt habe. Sie habe immer gedacht, die Legende sei nur der Phantasie ihrer Mutter entsprungen.