Gastbeitrag Engel - ein frommer Wunsch nach Schutz

Zu welchem Engel hat er jemals gesagt: Setze dich zu meiner Rechten!

(Hebräer 1, 7.13-14)

 

„An Gott glaube ich nicht. Ich brauche ihn auch nicht, ich habe ja meinen Schutzengel.“, hat mir eine Sechszehnjährige gesagt. Mir geht es umgekehrt. Mit Engeln weiß ich nicht viel anzufangen. Ich bin verlegen, wenn mir jemand einen Engel schenkt. Ich respektiere den frommen Wunsch nach Schutz und Behütung, den Menschen ausdrücken, indem sie einander Engelfiguren und Engelkarten schenken.

 

Einige Engel aus den biblischen Erzählungen sind mir sympathisch: Der Engel, der Abraham davon abhält, dem blutigen Gottesbefehl zu gehorchen und seinen Sohn zu opfern; Raphael, der Tobias begleitet und ihm die Heilkraft von Fischgalle beigebracht hat; der Engel, der Daniel aus der Löwengrube gerettet hat. Vor allem mag ich die Engel, die nichts anderes tun als Gott loben wie die aus dem 103. Psalm und die Weihnachtsengel, die ihr schönes Lied singen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden. Die singenden Engel sind die erträglichsten. So sieht man sie beim Engelskonzert auf dem Isenheimer Altarbild von Matthias Grünewald. Die meisten Engel sind mir zu mächtig und zu gewalttätig: die Cherubim, die „mit dem flammenden, blitzenden Schwert“ den Eingang zum Paradies bewachen, und die die 7 Engel aus der Apokalypse, die die großen Plagen verwalten, mit denen sich der Zorn Gottes vollendet.

 

Im Neuen Testament finden wir eine merkwürdige Zurückhaltung den Engeln gegenüber. Paulus will sogar „über Engel richten“. Zumindest einige von ihnen sind zwielichtige Figuren. Die Frauen sollen ihr Haar bedecken, offensichtlich gibt es lüsterne Engelgesellen, die verführbar sind durch schöne Haare. (1 Korinther 11,10) Vor allem der Hebräerbrief hat großes Interesse, die Engel zu degradieren. Der Menschensohn ist Abglanz der Herrlichkeit Gottes, nicht die Engel. Sein Name ist höher als der Ruhm der Engel. Engel sind dienstbare Geister. Aber zu keinem Engel wurde je gesprochen: Setze dich zu meiner Rechten!

 

Der Menschensohn, der zur Rechten Gottes erhöht ist, hat keine engelhaften Züge. Was ist schon engelhaft an einem, der in einem Stall geboren ist; der seine staubigen Lebenswege geht; der versucht werden konnte wie wir alle und der umgebracht wird wie viele von uns. Die Engel sind die Fernen, die Leidlosen, die Starken und die bisweilen Schrecklichen. Sie mögen helfen, zumindest hier und da. Aber sie sind keine Geschwister. Geschwisterlich ist nur ein Wesen, das leidet wie wir selber; das liebt, wie wir lieben, und das stirbt, wie wir sterben. Es wird von gefallenen Engeln erzählt, die noch in ihrem Sturz mächtig und gefährlich sind. Es wird von keinem Engel erzählt, der geblutet und geschwitzt hat; der gehungert hat und der darum gebettelt hat, dass der Kelch des Unglücks an ihm vorbei gehe.

 

Engel sind überlegene Wesen mit all ihren Schwertern, mit ihrer Unangefochtenheit und mit ihrer Stärke. Aber an der Überlegenheit eines anderen ist noch keiner gesund geworden. In einem alten Lied zum Erzengel Michael heißt es: „Unüberwindlich starker Held, St. Michael, komm uns zu Hilf, zieh mit zu Feld! … Du bist der himmlisch Capitain, dein Kriegsheer alle Engel sein.“ Unüberwindlich mögen die himmlischen Heerscharen sein. Aber auch nur das! Christus war überwindbar, wie wir alle überwunden werden können. St. Michael wird oft dargestellt, gepanzert, mit Schild und Schwert versehen und auf einem feurigen Ross reitend. Christus kommt auf einem Esel geritten. Er ist der einzige der vielen starken Göttersöhne, auf den man setzen kann.

 

Mit freundlicher Genehmigung von Fulbert Steffensky und dem Chrismon Verlag.