Klee in der Hamburger Kunsthalle Engel – zweifelnd, tastend, dämonisch, schön

Der evangelische Pastor Brandi ist in der Hamburger Kunsthalle regelmäßig bei interreligiösen Führungen als Referent gefragt. Zwar ist die evangelische Tradition nicht gerade für einen Engelkult bekannt, aber der Pastor verweist darauf, dass auch in vielen protestantischen Kirchen diverse Flügelwesen zu finden sind.

 

Himmlische Persönlichkeiten

Die Bilder in der Kunsthalle umfassen Klees wichtigsten Engeldarstellungen. In den letzten Lebensjahren von 1938 bis 1940 hatte der Künstler im Schweizer Exil mit wenigen Strichen eine Fülle von Flügelwesen produziert. Die Titel der Bilder zeigen, dass sich viele Boten auf der Erde bewähren müssen bei ihren göttlichen Missionen: Da gibt es den altklugen Engel, das Debut eines Engels, sogar hässliche Engel oder welche, die im Boot reisen.

 

Engel sind Symbole, meint Friedrich Brandi. In der Bibel stehen sie für das Unfassbare. Gott, dessen Name im Judentum nicht ausgesprochen werden soll und von dem man sich kein Bild machen darf, diesem Gott verleihen die Engel eine Stimme. Wenn sie ihren Auftrag ausgefüllt haben, verschwinden sie auch wieder. Sei es nach der Vertreibung aus dem Paradies oder der Verkündigung Mariens oder nach der Auferstehung Jesu am Grab. Engel übermitteln den Geist oder die Kraft Gottes. „Die Engel eröffnen somit religiöse Dimensionen, die mit Angst, Liebe, Abgrund oder Ohnmacht verbunden sein können“, fasst Brandi zusammen. Und die Engel von Klee, die spiegeln diese Gefühle wider: Sie weinen sogar oder sie zweifeln und sie behüten oder beschenken.

 

Einen Lieblingsengel findet auch der Theologe Brandi in der Ausstellung: den vergessliche Engel. „Der kommt mir einfach nahe. Ich habe auch kein gutes Gedächtnis“, räumt der Pastor lachend ein.

 

Engel mit Witz und Dämonie

Klees Engel haben nach den Worten Brandis eine unheimliche Leichtigkeit. Sie können fliegen, weil sie sich selbst so leicht nehmen, hat ein kluger Mensch mal gesagt. Auf Klees Engel trifft das auch zu – vielleicht auch weil sie nur aus wenigen Strichen bestehen. Vor allem aber haben sie Witz. Sie sind manchmal weiblich und spielen mit ihren Reizen. Sie klammern nichts aus, auch nicht die dunkle Seite von Gott. Immer wieder zeichnet Klee dämonische Engel, die aus der Reihe tanzen. Eine Annäherung an Luzifer, der ja als gefallener Engel gilt. Diese Geschichte steht zwar nicht in der Bibel, aber in außerbiblischen Sammlungen, den Apokryphen. Übrigens gibt es im Koran (Sure 38) eine ähnliche Vorstellung, ergänzt Brandi.

 

In der Bibel begegnet Jesus in der Wüste dem Satan, dem Versucher – "eine Geschichte voller Symbole, denn das sind ja keine historischen Berichte", sagt Brandi. In der Wüste, so fühlen sich heute auch viele Menschen. Doch Jesus widersteht der Versuchung Satans – dann erst kommen die Engel zu Jesus und dienen ihm. Vermutlich spiegeln Klees Engel auch seinen eigenen Seelenzustand wider. Der Maler wurde schon Mitte der 1930er Jahre schwerkrank und pendelte zwischen Hoffnung und Resignation, was seine Genesung anging.

 

So hat er auch einen gespensthaften Todesengel gezeichnet – auch wenn das Bild ohne Titel geblieben ist. Klees Engel durchleben Krisen wie er selbst, in einer krisenhaften Zeit. Auch wenn Klee nicht sonderlich religiös war, so verweisen doch seine Bilder auf etwas Verborgenes. Das aber muss der Betrachter selbst entdecken und er kann daran seine eigene Religiosität entwickeln. Die Ausstellung „Paul Klee. Engel“ ist bis zum 7. Juli 2013 in der Kunsthalle zu sehen.

 

Hamburger Kunsthalle

Glockengießerwall

U/S Hauptbahnhof Hamburg

Di – So 10 bis 18 Uhr

Do bis 21 Uhr

Eintritt: 12 Euro/erm. 6 Euro

Familien 18 Euro, Jugendliche unter 18 J. frei