Geboren um zu leben

Suizid ist ein Schicksalsschlag, auf den keiner vorbereitet ist

Hamburg – Ihre Rettungsanker waren Freunde und die Musik. Am Mittwoch wird sie in der Hauptkirche St. Jacobi singen: den Song „Geboren um zu leben“ von der Band Unheilig. Birgit Abrameit hat ihren Mann 2009 durch Suizid verloren.

Heute engagiert sie sich bei Agus, einem Verein für Suizidtrauernde. Gemeinsam mit anderen Mitwirkenden und Hauptpastorin Pröpstin Astrid Kleist gestaltet sie den Gottesdienst zum Welttag der Suizidprävention morgen in St. Jacobi mit. Das Motto: "Ankergründe und Rettungsanker".

Der Suizid ihres Mannes im Juli 2009 kam für Birgit Abrameit, 49, aus heiterem Himmel. Zwar hatten sie schwere Monate hinter sich: ihre Ehe war in der Krise, er litt unter beruflichen Sorgen. „Doch ich habe ihn niemals als schwermütig oder depressiv wahrgenommen“, sagt sie.

Nach seinem Tod verliert sie das Vertrauen in sich und Andere. „Ich war verstört. Musste mir eingestehen, dass ich nur einen Teil meines Mannes gekannt hatte.“ Über Freunde erfährt sie von Agus, der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Suizid.

Suizid ist ein Tabu

Sie möchte reden, um das Erlebte zu verarbeiten. So lieb und nah Freunde und Familie auch sind, so ganz können sie ihre Situation nicht nachvollziehen. „Der Tod ist ein Tabu. Und das gilt noch stärker, wenn sich jemand selbst tötet“, sagt sie.

Im August nimmt sie das erste Mal an einer Gruppenstunde teil. Sie trifft auf Menschen, die nachfühlen können, wie es ihr geht. Die nicht sagen: „Jetzt lass' es mal gut sein“. Sie fühlt sich aufgehoben.

Parallel dazu lässt sich von einem Psychotherapeuten unterstützen. Als ihre Kräfte immer schwächer werden, geht sie für sechs Wochen in eine psychosomatische Klinik.

"Das Thema wird nie vom Tisch sein"

„Heute sind meine Akkus wieder voll“, sagt Birgit Abrameit. Sie arbeitet als Stimmtrainerin und Sprecherin. Anders als früher gibt es heute Tage, an denen sie nicht an den Tod ihres Mannes denkt. Doch sie weiß auch: „Das Thema wird nie vom Tisch sein.“

Seit zwei Jahren leitet sie mit zwei weiteren Betroffenen die Selbsthilfegruppe von Agus in Hamburg, die sich jeden ersten Sonnabend im Monat im Gruppenraum von St. Jacobi trifft. Sie ist die erste Ansprechperson am Telefon. Und sie wird im Gottesdienst singen: „Geboren um zu leben“. „Ich möchte etwas weitergeben, von dem, was ich erfahren habe – das Gefühl, auf meinem Weg nicht allein zu sein.“

AnkerGründe – RettungsAnker

Gottesdienst zum Welttag der Suizidprävention

Zeit: Mittwoch, 10. September um18 Uhr
Ort:
Hauptkirche St. Jacobi, Steinstraße
Mitwirkende:
Die Vereine AGUS (Angehörige um Suizid), Verwaiste Eltern, das Institut für Trauerarbeit, Georg Fiedler (Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention) und Hauptpastorin Pröpstin Astrid Kleist

Im Anschluss ist Zeit für Gespräche im Südschiff