Palliativmedizin Gesundheitsethikerin: Sterbende besser begleiten

Jeder zweite hochbetagte oder unheilbar kranke Mensch stirbt im Krankenhaus

Hamburg – Wer spricht schon gerne über das Sterben? Für die Hamburger Gesundheitsethikerin Ruth Albrecht ist das Alltag. Sie setzt sich für einen Ausbau der Palliativmedizin ein – und dafür, mehr über Hoffnungen und Ängste am Lebensende zu reden.

Die Zahlen offenbaren eine traurige Wahrheit. Krankenhäuser und Pflegeheime sind die letzten Lebensstationen von hochbetagten oder unheilbar kranken Menschen in Deutschland: Jeder Zweite stirbt im Krankenhaus, bei 40 Prozent endet das Leben in einem Pflegeheim. Und das, obwohl drei Viertel gern zu Hause bleiben würden.

Nur rund jeder Dritte erhält am Lebensende eine palliative Versorgung. Das muss sich ändern, fordert die Hamburger Gesundheitsethikerin und evangelische Theologin Ruth Albrecht. „Durch Pflege, Schmerztherapie und menschliche Begleitung können Schmerzen und Ängste gelindert werden.“ Albrecht leitet die Arbeitsstelle Ethik im Gesundheitswesen, die beim Kirchenkreisverband Hamburg angesiedelt ist.

Weil tragende familiäre Strukturen in der Begleitung Sterbender vielerorts weggebrochen sind, sei der Ausbau der spezialisierten Palliativversorgung eine große Chance. Sie beinhaltet nicht nur medizinische Pflege, sondern auch verlässliche menschliche Zuwendung etwa durch Seelsorger und Psychologen. "Mit ihr stellt sich die Frage nach Sterbehilfe oft nicht mehr", ist Albrecht überzeugt.

"Zuhören, nachfragen - das ist zentral"

Die palliative Versorgung müsse daher nicht nur ausgebaut, sondern auch bekannter gemacht werden, fordert sie. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind seit November vergangenen Jahres gegeben, als der Bundestag beschloss, Hospizversorgung und Palliativmedizin stärker zu fördern.

Jährlich sollen rund 200 Millionen Euro zusätzlich in die Finanzierung der mehr als 200 Hospize, rund 1.500 ambulanten Hospizdienste und der Palliativstationen in Deutschland fließen.

Doch das ist nicht alles, sagt Albrecht. Weil auch christliche Traditionen wie das Aufbahren in den eigenen vier Wänden nicht mehr selbstverständlich seien, werde das Gespräch über Ängste und Hoffnungen am Lebensende immer wichtiger. "Zuhören, nachfragen - das ist zentral, denn das Sterben ist immer individuell."

Palliativmedizin ist die schmerzlindernde Behandlung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen. Ziel der palliativen Versorgung ist es, den Patienten ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Nicht mehr Heilung und Lebensverlängerung stehen im Vordergrund, sondern der bestmögliche Erhalt der Lebensqualität. Die Palliativmedizin umfasst neben der ärztlichen Versorgung mit Schmerzmedikamenten auch die pflegerische Betreuung der Patienten. Zudem begleiten Psychologen, Seelsorger und Sozialpädagogen die Sterbenden.

Die Hamburger Gesundheitsethikerin Professor Ruth Albrecht