Lange Nacht der Weltreligionen im Thalia Theater Gott ist unverfügbar - aber vielfältig

Schwere Kost jedoch am Anfang mit dem Hinduismus. Obwohl die Geschichten über Arjuna oder Rama bis heute nichts von ihrer Brisanz verloren haben, wird die Geduld der Zuschauer strapaziert. Die Inder sind nämlich Meister der Ausschmückung. Und in jener Zeit betonen die Schriften die Kastenpflicht (Dharma) und die Bhakti (Gottesliebe). Das Weltbild dahinter muss sich das Publikum erst einmal erschließen, um zu verstehen.

 

Arjunas innerer Kampf

Arjuna, der Held des indischen National-Epos Mahayana, verzweifelt über seinen Auftrag. Als Krieger ist es seine Pflicht zu kämpfen, doch er will nicht töten. In ihm entbrannt ein Ringen um die Wahrheit bis sich ihm der Gott Krishna auf dem Schlachtfeld offenbart. Die Lektion: Nicht an den Früchten der Handlung hängen, sondern tun, was zu tun ist. So einfach das Prinzip, so schwer seine Durchführung. Denn wer hängt nicht am Ergebnis seiner Taten. So tauchen Varianten dieses Themas wohl in allen Religionen auf.

 

Auch die buddhistische Geschichte über die vorgeburtlichen Existenzen Buddhas kennt den Umgang mit Gewalt. Denn Buddha war der Überlieferung nach in seinen vielen Leben vor seiner Erleuchtung auch einmal ein Räuber. Da begegnet er einem mörderischen Riesen, kämpft mit ihm und bringt ihn schließlich auf den richtigen Pfad des Mitgefühls. – Eine beeindruckende Lesung, die mehr den märchenhaften Charakter betont.

 

Ideal der Gewaltfreiheit

So kennt der Buddhismus beispielsweise auch das Töten zur Abwehr, erläutert Carola Roloff, buddhistische Nonne und Dozentin. Zwar gebe es das Ideal der Gewaltfreiheit - also man solle sich so verhalten, dass andere nicht zu Schaden kommen. „Aber man darf sich als Buddhist auch wehren, wenn jemand Gewalt anwendet.“

 

So geht es quer durch Sutren und Verse aus den beiden Religionen. Einführungen und Kommentare wechseln sich ab. Bei der indischen Tanzvorführung zeigt Gudrun Märtins die Inkarnationen des Gottes Vishnu. Ein religiöses Schauspiel.

 

Denkanstöße über Gebete

Nun gibt es seit einigen Jahren einen Austausch zwischen den Religionen. Doch manchmal können interreligiöse Gebete die Buddhisten auch aus der Gemeinschaft ausschließen, deutet die buddhistische Nonne an. So erlebe sie es, dass auf interreligiösen Tagungen Gebete immer mit dem Text anfingen, dass sie an den einen Gott glauben. „Naja, wir als Buddhisten haben keinen Gott und den kriegen wir da auch nicht rein“, sagt Roloff. Applaus. Solche Denkanstöße kommen beim Publikum an und es werden noch weitere folgen.

 

Zum Beispiel vom Zen-Buddhisten Bertrand Schütz. In dieser äußerlich kargeren Form des Buddhismus wird in der Praxis der Meditation mehr der stillere Charakter betont, der die Nähe zum Urgrund sucht. Der Zen-Mönch spricht dabei von der Unverfügbarkeit des religiösen Grundes. Oliver Petersen, Lehrer am Tibetischen Zentrum, hingegen betont die Vielfalt der Religionen. „Es wäre doch schade, wenn es nur eine einzige gebe.“

 

Nach mehr als fünf Stunden Programm wird es noch einmal still im Publikum. Als Oliver Petersen eine Metta-Meditation anstimmt, sitzen die meisten der Besucher aufrecht, die Augen geschlossen und lauschen den Worten des Buddhisten. Das Mitleid soll mit der Übung aktiviert werden.

 

Auf der Bühne hat das Experiment Religion und Unterhaltung zu verbinden offenbar funktioniert. Viele Besucher kosteten die Lange Nacht bis zum Schluss aus.

 

Mechthild Klein (www.kirche-hamburg.de)

 

 

Die Lange Nacht der Weltreligionen ist eine Kooperation der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg und des Thalia-Theaters. Im vergangenen Jahr gab es bereits eine Lange Nacht mit Vertretern der abrahamitischen Religionen: Judentum, Christentum und Islam.