Meine Reformation (3) Gott sprachfähig machen

Frank Hofmann präsentiert seinen Luther

Ein freier Tag am 31. Oktober – warum ist das gut so? Und warum sollen wir uns an etwas erinnern, das 500 Jahre her ist? Wir fragen Frank Hofmann. Er ist Philosoph, Journalist, Langläufer, Theologe und Chefredakteur des Vereins Andere Zeiten:

Herr Hofmann, ist der Reformationstag für Sie ein wichtiger Tag?

Der Tag selber erscheint mir nicht so wichtig. Aber das Ereignis dahinter ist wichtig – für das religiöse Leben allgemein, aber auch für mein eigenes persönliches Glaubensleben. Die Reformation hat der Ausdruckskraft der Sprache den Weg bereitet. Neue Wirklichkeit eröffnet sich durch Sprache. Zum Beispiel die Bibelübersetzung. Luther hat das Glaubensgut nicht nur allen Menschen zugänglich gemacht, er hat auch eine eigene Sakralsprache geformt. „Es begab sich aber …“ – und schon weiß man, aus welchem Buch gelesen wird.

Und für Ihr eigenes persönliches Glaubensleben?

Ich bin eigentlich Philosoph und Sprachanalytiker. An der christlichen Tradition schätze ich sehr die Konzentration auf das Wort.  Es ist doch von Gott nicht mehr zu erkennen als das, was er über sich durch Menschenmund aussagt. Und für diese religiöse Ausdruckskraft der Sprache war die Reformation ein Wegbereiter.

Wenn Sie jemandem erklären sollten, was wir eigentlich am 31. Oktober feiern – was würden Sie sagen?

Ich denke, die Reformation war eine notwendige Korrektur der kirchlichen Tradition auf das Wort Gottes hin. Die Reformation hat den Zugriff auf das Wort Gottes, das Recht auf religiöse Sprachfähigkeit jedes Menschen ganz grundlegend wiederentdeckt und damit den Wert jedes einzelnen Menschen auf ein eigenes Glaubensleben.

Ist das Thema Reformation auch nach allen Jubiläumsfeiern ein Thema für Andere Zeiten?

Natürlich. Die Eröffnung neuer Sprachspiele ist auch das, was wir uns immer wieder vornehmen. Das Übertragen von religiösen Inhalten in neue Sprache, die das „Volk“ versteht, das war der Ansatz der Reformation – und das ist auch der Ansatz von Andere Zeiten. Religiöses sprachfähig zu machen und erst dadurch wahrzunehmen, dass man es in Worte fasst – in dieser Hinsicht sind wir so etwas wie Reformatoren der Gegenwart

Reformationstag als gesetzlicher Feiertag – sind Sie dafür?

Ja, ich bin dafür. Wir sind ja immer dabei, Inseln zu schaffen, wo die Möglichkeit besteht, sich zu besinnen. Der Reformationstag ist so eine Insel. Das gilt aber ebenso auch für die Sonntagsruhe und die anderen Feiertage.

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Frank Hofmann studierte in jungen Jahren Philosophie, um seinen Atheismus besser begründen zu können. Die Frage "Was ist Wahrheit?" wurde zum Thema seiner Promotion. Die Suche nach der Wahrheit ließ ihn auch Theologie studieren und beschäftigt ihn heute immer noch, wenn er morgens an der Elbe joggt. Das Laufen ist für ihn Gelegenheit zu Meditation und Gebet. Als Chefredakteur des Vereins Andere Zeiten, der unter anderem den Kalender "Der Andere Advent" herausgibt, hat er sich zur Aufgabe gemacht, religiöse Erfahrung in andere Sprache zu bringen.

 

Weitere Artikel in dieser Reihe:

>> Günter Wasserberg, Reformationsbeauftragter für Hamburg und Lübeck

>> Jens-Martin Kruse, evangelisch-lutherischer Pastor in Rom

>> Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck