Spiritualität Halt auf freier Strecke

Krankenhausseelsorgerin Bettina Kolwe-Schweda begleitet Menschen in schweren Lebenssituationen

Wer ins Krankenhaus kommt fühlt sich häufig ausgeliefert. Was kann Halt geben - in einer Umgebung, in der sich der Einzelne den Abläufen unterordnen muss und vielleicht nicht absehen kann, wohin die Reise geht? Ein Gespräch mit der Krankenhausseelsorgerin Pastorin Bettina Kolwe-Schweda

Frau Kolwe-Schweda, wie erleben Menschen das Krankenhaus?
Sie kommen in eine Situation, die immer komprimierter, technischer und standardisierter wird. Doch der Einzelne ist kein Standard. Wer krank ist, kommt an seine Grenzen, ganz individuell. Er erfährt, dass er verwundbar ist. Das macht Angst.

Wie können Sie als Seelsorgerin helfen?
In dem ich Gespräche und Rituale anbiete, in denen diese Gefühle aufgehoben sind. Zeit mitbringe, zuhöre, Trauer einen Raum gebe. Angehörige etwa leiden häufig unter Schuldgefühlen. Sie fragen sich: ,Habe ich wirklich genug getan?’ Ein Segensritual kann zum Beispiel helfen, diese Gefühle auszusprechen, ihnen einen Ort zu geben und dadurch besser mit ihnen zurecht zu kommen.

Haben Sie dafür im Krankenhausalltag überhaupt genug Zeit?
Die Asklepios Klinik Altona, an der ich arbeite, behandelt  110.000Patienten pro Jahr, ambulant und stationär. Was wir machen, kann immer nur exemplarisch sein. Doch jeder, der mich ruft, zu dem komme ich auch.

Wie erfahren Sie das System Krankenhaus?
Die Abläufe im Krankenhaus müssen stimmen. Das kann lebensrettend sein. Aber ich setze mich auch dafür ein, sie zu durchbrechen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen. Das geht nicht im Eiltempo. Angehörige brauchen dafür Zeit. Ich spreche vorher mit den Diensthabenden auf der Station und versuche, das zu ermöglichen.

Warum ist Spiritualität im Krankenhaus heilsam?
Spiritualität bedeutet, sich existentielle Fragen zu stellen: etwa danach, was einen trägt oder was dem Leben Sinn gibt. Im Krankenhaus spüren wir, wie verletzlich das Leben ist. Seelsorge versucht, Zugänge zu den eigenen Kraftquellen zu öffnen. Wie man diese entdecken kann, dabei unterstützen wir Patienten, Angehörige und Mitarbeitende.

Podiumsdiskussion „Zwischen Spiritualität und Funktionalität“
Zeit: Mittwoch, 17. Februar, 18 Uhr
Ort: Hauptkirche St. Petri
mit Dr. Astrid Giebel, Theologin bei der Diakonie Deutschland in Berlin und Hilke Stein, Fachbereichsleiterin Gesundheit und Soziales, ver.di-Hamburg. Moderation: Pastorin Bettina Kolwe-Schweda. Eine Veranstaltung des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KdA) und der Krankenhausseelsorge