Nacht der Kirchen im Hamburger Osten Kirchenmusical, Clubmusik und bitterböse Comedy

Helle Stimmen klingen bis auf die Straße. Die Martin Luther Kirche in Alsterdorf ist eine frühsten mit ihrem Barock-Programm. Es ist gerade fünf Uhr und der Kinderchor der Gemeinde steht schon auf der Bühne. Unterstützt vom Ensemble „Alte Musik für ganz junge Leute“, deren Fagott-Spieler der Jüngste in ganz Hamburg ist.

 

Inbrünstige Arie aus Händels Messiah

Das Programm ist anspruchsvoll, Telemann wird gespielt, gleich zweimal. Schließlich habe er auch 46 Jahre in der Hansestadt komponiert, erzählt Petra Bensiek, die muskalische Leiterin. Die kleinen Pausen zwischen den Stücken werden genutzt, um die Instrumente zu erklären. Dann die Arie aus Händels Messiah. Auch wenn nicht jeder Ton stimmt, singt der kleine Chor das Stück so inbrünstig, dass das anschließende sechs-Uhr-Läuten fast untergeht.

 

Die Heilandskirche in Uhlenhorst ist proppenvoll. Sogar vor dem Altar steht noch eine Kirchenbank, besetzt mit völlig unterschiedlichen Menschen. Doch weder Pastor noch Pastorin tauchen auf. Plötzlich geht das Licht an und eben diese Sitzreihe am Altar wird lebendig: Eine junge Frau steht auf, singt das Ave Maria, bis sie von einem rappenden Teenager rüde unterbrochen wird. Es entsteht ein rangelndes Miteinander mit „Son of a Preacher Man“ in herrlichem denglisch, „ich will keine Schokolade“ und Peter Fox´ “Haus am See“. Das Kirchen-Musical „20 Songs für ein Halleluja“ lässt keinen Klassiker aus – die Stücke von den Beatles bis Udo Jürgens und Nena bis Lena werden mit viel Gelächter und tosendem Applaus kommentiert.

 

Die lieben Schwächen der Mitmenschen

Nächte Station ist die Kreuzkirche in Barmbek – heute abend ist sie die Comedy-Kirche. Auch hier ist kein Platz mehr frei, als der Däne Anders Bonde angekündigt wird. Es sei ein langer Weg nach Hamburg gewesen „vor allem wegen der Grenzkontrollen“, sagt er. Charmant stürzt er sich auf die gängigen Klischees: Sein Deutsch sei nicht gut, aber dass er neulich für einen Schwaben gehalten worden sei, „das hat mich doch verletzt, so schlecht ist es auch wieder nicht.“ Bitterböse und hochmusikalisch ist der Auftritt der „Egoisten“. Das berliner-hellenische Duo stürzt sich auf die kleinen Schwächen ihrer Mitmenschen – und auch wenn manches Lachen im Hals stecken bleibt, applaudiert das Publikum euphorisch.

 

Rasch nach Uhlenhorst in die St. Gertrud Kirche. Die neugotische Backsteinkirche ist Spielplatz für die „Starken Frauen“ und bis auf den letzten Platz besetzt. Doch das Programm verzögert sich, was die eine oder andere starke Frau aus dem Publikum auch lautstark kommentiert. Schließlich beginnt Sarah Howe, gerade einmal eine Viertelstunde später, mit ihrem Programm: Am Flügel, unterstützt von einem Kontrabassisten, füllt sie mit ihrer starken und zugleich sanften Stimme das weiträumige Kirchenschiff.

 

Mädchenschwärme bei Feinkost

Der nächste Halt ist die NDR-Bühne am Mönckebrunnen. Schon von weitem hört man kreischende Teenager. Der Grund sind „Feinkost“, eine fünfköpfige Band um Sänger und Schauspieler Julian Sengelmann. Zur „Clubmusik mit Riffgitarren“ tanzt der ganze Platz, vor allem aber die ersten vier Reihen, die fast ausschließlich aus jungen Mädchen bestehen. „Wunderbar lautet nicht nur das Motto der Nacht der Kirchen“, schmeichelt der studierte Theologe, „wunderbar seid auch Ihr.“ Nach mehreren Zugaben wirft der Schlagzeuger seine Drumsticks ins Publikum und trifft mindestens eine Zuschauerin „mitten ins Herz“ – und bereitwillig tut Sengelmann Buße: Es gibt ein Bier und die Antwort auf die brennendste aller Fragen: „Meine Schuhgröße ist 44.“

 

Zum Schluss noch ein Abstecher zur Weißen Alsterflotte, die mal mit und mal ohne musikalische Untermalung über die Alster fährt. Überraschend lebendig ist die Hamburger Innenstadt an diesem Abend. Und auch wenn die Nacht der Kirchen der Hauptgrund für die vielen flanierenden Menschen ist, tragen spätsommerliche 16 Grad sicher ihren Teil dazu bei. Es ist wirklich wunderbar.