Interview "Man kann mit Demenz-Erkrankten nicht diskutieren"

Frage: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Tanzcafé für Demenz-Erkrankte zu gründen.

 

Grohmann: Ich hatte gelesen, dass es ein Tanzcafé-Projekt vom Demenz-Servicezentrum NRW in Köln gibt, das sofort großen Erfolg hatte. Auch in anderen Städten wie Berlin und Wiesbaden gibt es Initiativen. Da ich selbst eine passionierte Tänzerin und Tanztherapeutin bin und oft erlebt habe, wie Menschen aus sich herauskommen, wenn sie Gelegenheit haben zu tanzen, wollte ich solch ein Projekt auch in Hamburg ins Leben rufen.

 

Was zeichnet Ihr Tanzcafe aus?

 

Das Tanzcafé ist ein Integrationsprojekt: Sowohl Demenz-Erkrankte mit ihren Angehörigen oder Begleitern als auch tanzbegeisterte Senioren sind eingeladen. Neben dem Tanzen wird auch das Gespräch gesucht oder einfach der Musik gelauscht.

 

Demenzerkrankte reagieren auf Stimmungen

 

Das Gefühlsleben von Demenz-Erkrankten ist trotz Verlust der vorausschauenden und planerischen Fähigkeiten voll intakt. Was können diese Menschen erleben?

 

Die Demenz-Erkrankten nehmen viel über ihre Sinne wahr. Sie freuen sich über Blumen, Musik, Berührung. Sie sind empfänglich für Stimmungen und reagieren darauf oft mehr als auf gesprochene Worte. Das ist ein Problem, aber es ist auch eine Chance: Wenn ich selbst fröhlich und zuversichtlich gestimmt bin, dann fühlt der Demenz-Erkrankte sich wohl im Kontakt mit mir.

 

Wie sind die Reaktionen von den Demenz-Erkrankten auf das Tanzcafe?

 

Die Stimmung im Tanzcafé lässt sofort Erinnerungen aufsteigen mit Gefühlen von Aufregung, Vorfreude, auch wird gern geflirtet. Viele haben sich hübsch zurechtgemacht. Einige sind auch skeptisch, haben Angst vor demütigenden, beschämenden Erfahrungen, etwa nicht mehr so zu können, wie sie gerne möchten. Meistens überwiegt jedoch die Botschaft: Hier ist alles erlaubt, man kann nichts falsch machen, jeder tanzt so gut wie sie oder er kann. Auch im Rollstuhl.

 

Was wollen Sie mit dem Tanzcafé erreichen?

 

Ich möchte den Demenz-Erkrankten, Angehörigen und auch tanzbegeisterten Senioren einen Raum schaffen, wo sie an Erinnerungen anzuknüpfen können und einen unbeschwerten fröhlichen Nachmittag verbringen. So können sie entdecken, was alles noch möglich ist an Bewegung. Vorurteile gegenüber Demenz-Erkrankten werden ganz nebenbei revidiert.

 

Und was sagen die Partner oder Kinder von Demenz-Erkrankten?


Sie freuen sich, ihre Mutter oder ihren Partner mal so ausgelassen, begeistert und ausdauernd zu erleben und genießen die Gespräche mit den anderen Gästen.

 

Was macht die Begleitung von Demenz-Erkrankten so schwer?

 

Weil die Krankheit immer weiter fortschreitet, es gibt keinerlei Hoffnung auf Besserung. Im Gegenteil. Der Erkrankte verändert schließlich auch seine Persönlichkeit. Es ist ein uneindeutiger Verlust in dem Sinne, dass der Mensch zwar noch da ist, aber nicht mehr der ist, wie ich ihn kenne. Man kann mit Demenz-Kranken nicht diskutieren, man muss sich nach ihnen richten, das erfordert ein hohes Maß an Geduld. Ich wünsche jedem pflegenden Angehörigen, dass er sich so viel Hilfe und Unterstützung holt wie möglich. Es ist eine große Überforderung, einen an Demenz Erkrankten Menschen alleine zu begleiten, man kann es nur gemeinsam leisten.